„Es sieht nicht gut aus.“ Diese ernüchternde Auskunft gibt Jonas Deichmann derzeit, wenn es um die Frage geht, ob er seine ursprüngliche Planung halten kann. Die sah vor, bei seinem Triathlon rund um die Welt nach der zweiten Disziplin per Segelboot vom russischen Wladiwostok auf den amerikanischen Kontinent überzusetzen. Zunächst hatte Deichmann bereits seine Laufroute aufgrund der Coronapandemie aus den USA nach Mexiko verlegt. In die Vereinigten Staaten und nach Kanada darf er nicht einreisen. Nun muss er vermutlich erneut umdisponieren. Mitte Juni läuft sein Visum ab, hat der 34-Jährige bis dahin kein Boot organisiert, bleibt ihm nur das Flugzeug als Transportmittel.
Minimale Chance auf Pazifiküberquerung mit dem Boot
Das wollte er eigentlich vermeiden. „Es wäre sehr schade, wenn ich fliegen müsste, weil ich das Abenteuer gern mit minimalem CO2-Ausstoß mache. Aber am Triathlon selbst ändert auch ein Flug am Ende nichts“, betont Deichmann. „Ich werde dennoch weiterhin alles probieren, um ein Boot zu finden.“ Auch ein abermaliges Treffen mit dem Präsidenten des örtlichen Segelclubs und dem Sportminister hat bislang kein Ergebnis gebracht. „Die Boote sind im Winter nach Korea im Süden gebracht worden und dürfen wegen Corona nicht wieder einreisen. Die Anfrage bei Frachtschiffen blieb bisher auch erfolglos, weil die Unternehmen mich nicht an Bord lassen, da alle Crews in Coronablasen stecken. Realistisch betrachtet gibt es nur minimale Chancen, auf dem Wasserweg über den Pazifik zu kommen. Ich gebe mir aber noch ein paar Tage, um wirklich alles versucht zu haben.“
Sechster Platz bei Mountainbike-Rennen
Neben den administrativen Angelegenheiten nutzte der Abenteurer die vergangene Woche in Wladiwostok für aktive Erholung. „Körperlich war nach meiner Ankunft erst alles gut, nach zwei Tagen kam aber die Müdigkeit. Jetzt werde ich langsam wieder fit“, so Deichmann, der kleinere Projekte in Angriff nahm. „Die Rad-Community hat mich hier super empfangen. Es ist immer jemand da, bei dem ich übernachten kann. Ich wurde auch eingeladen, an einem Marathonrennen teilzunehmen: bei den Primorsky Krai MTB Championships, mit 40 Teilnehmern. Es war ein 20-Kilometer-Rundkurs, den man zweimal fahren musste. Ich habe zum Spaß auf meinem Gravelbike mitgemacht, das war super. Bei Anstiegen war ich vermutlich der Schnellste, bergab aber sicherlich der Langsamste. Ich musste teilweise absteigen und mein Rad tragen, weil ich kein Mountainbike hatte. Am Ende bin ich Sechster geworden. Das hat Spaß gemacht.“
Entdeckungstour auf einsamer Insel
Auf der Wladiwostok vorgelagerten Russki Insel in der Peter-der-Große-Bucht ging Jonas Deichmann auf Entdeckungstour. „Ich war dort wandern und bin über eine etwa 40 Meter lange Passage durch kniehohes Wasser zur Scott-Insel gewatet, die ist unbewohnt und es gibt auch keine Straße. Dort habe ich biwakiert, das war traumhaft, allein dort, mit Klippen und wunderschönen Stränden, einer der besten Übernachtungsplätze seit langem.“
Kriminalität beeinflusst Deichmanns Route durch Mexiko
Wunderschöne Strände dürften den Abenteurer auch in Mexiko erwarten – wie auch immer er letztlich dorthin gelangt. Dann beginnt die dritte Disziplin. „Die ersten Tage werde ich sicherlich brutale Schwierigkeiten haben. Ich bin bereits seit einem halben Jahr nicht mehr gelaufen und werde einige Zeit brauchen, in meinen Rhythmus zu finden.“ Mittlerweile steht die Route fest: von Tijuana nach Cancun. „Ich hatte bei der Routenplanung zwei Bedenken. Zum einen die Kriminalität. Das Entführungsrisiko ist nicht zu unterschätzen, ebenso die Gefahr von Gewaltverbrechen. Die Drogenkartelle sitzen in erster Linie an der amerikanischen Grenze und der Pazifikküste. Das ist der Grund, warum ich erst durch Baja California laufe und dann mit einem Boot auf das Festland übersetze. Durch Chihuahua oder Sinaloa rennen wäre lebensgefährlich. So kann ich das umgehen“, sagt der Abenteurer.
Deichmann wird 43.000 Höhenmeter absolvieren
„Der zweite Grund sind die Wetterverhältnisse. In Baja California erwarte ich 40 Grad, aber trockene Hitze, das geht. Auf dem Festland in Küstennähe wird es am schlimmsten, da herrschen bei 40 Grad fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, das haut einen um. Daher gehe ich sofort hoch in die Berge, wo es bei circa 30 Grad und weniger Luftfeuchtigkeit angenehmer werden dürfte. Brutal wird es trotzdem: Auf den 5.000 Kilometern lege ich 43.000 Höhenmeter zurück, beim Popocatepetl geht es rauf auf Mexikos höchsten Vulkan mit über 4.000 Metern“, schildert Deichmann seine Erwartungen.„Man darf auch nicht vergessen, dass ich beim Laufen eine andere Versorgungslage habe, wenn in Baja California zum Beispiel auch mal 100 Kilometer nichts kommt. Da muss ich Wasser und Verpflegung mitziehen. Aber das wird super und ich freue mich richtig darauf.“ Auch mit der eigentlich dritten Laufoption Mexiko hat er sich mittlerweile angefreundet. „Das ist doch ein viel größeres Abenteuer und eine größere Herausforderung als ein Lauf durch die USA.“
Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.