Samstag, 27. April 2024

„Man sollte als Trainer Verantwortung tragen“

spomedis

Dan Lorang ist einer der erfolgreichsten Trainer im Triathlon. Mit Jan Frodeno, Anne Haug und Lucy Charles-Barclay werden derzeit drei amtierende Ironman- und Ironman-70.3-Weltmeister von ihm gecoacht, insgesamt stehen fünf WM-Siege auf der Habenseite. In weniger als drei Wochen, am 7. Mai, findet in St. George die erste von zwei Ironman-Weltmeisterschaften dieses Jahres statt. Doch dort wird in Person von Anne Haug nur eine der drei genannten Personen um den Titel kämpfen können, denn Jan Frodeno und Lucy Charles-Barclay müssen verletzungsbedingt auf ihren Start verzichten. Wir haben mit Dan Lorang darüber gesprochen, wie er als Coach mit derartigen Rückschlägen umgeht, wie er seine Athleten unterstützt und wie das sportliche Comeback nach einer Verletzung gelingt.


Dan Lorang, zwei deiner Athleten sind derzeit verletzt und verzichten auf einen Start bei der Ironman-WM in St. George. Wie ist die Gefühlslage bei dir?

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Das kann man sich vorstellen, dass die Gefühlslage nicht die beste ist. Wenn sich zwei Athleten, oder auch nur einer, verletzen, ist das auch für einen Trainer immer eine schwierige Situation. Erstens, weil er weiß, was das für die Athleten selbst bedeutet und was es mit ihnen auch mental macht, wenn ein großes Ziel nicht mehr möglich ist. Und auf der anderen Seite ist es ja so, dass man Verletzungen auf keinen Fall haben will und viel dafür tut, um die Belastungssteuerung entsprechend zu gestalten. Von daher ist eine Verletzung auch immer ein Rückschlag für den Trainer. Man steckt da immer mit drin und sollte auch Verantwortung tragen.

Inwiefern zeichnet sich eine Verletzung für dich in der Kommunikation mit den Athleten ab?

Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt ja verschiedene Arten von Verletzungen: Solche, die direkt da sind, und andere, die sich ankündigen. Wenn man Jan als Beispiel nimmt und das Ganze reflektiert, dann war das nie mehr als ein „Ich merke meine Achillessehne“. Dann schaut man natürlich, wie man das entlasten kann. Die Frage ist auch, ab wann ein Athlet das erzählt. Bei Jan war es so, dass sich die Achillessehne in der gesamten Karriere immer wieder mal gemeldet hat. Er hat da also sehr viel Erfahrung. Und auch jetzt war es so, dass da kein großer Alarm war, sondern dass wir eben schauen mussten, das in den Griff zu bekommen. Leider Gottes hat sich herausgestellt, dass es nicht so wie sonst war, sondern die Sehne mehr Rehabilitation in Anspruch nimmt. Ein entscheidender Punkt ist auch, dass es in St. George natürlich um eine Weltmeisterschaft geht – uns war aber immer klar, dass wir nichts machen, was Kona gefährden könnte. Da wollen wir noch mal hin und zeigen, was möglich ist, und darauf werden Risiken abgewogen. Das Risiko, die Vorbereitung auf St. George durchzuziehen – vielleicht hätte es ja auch geklappt – hätte man niemandem zumuten können.

Uns war immer klar, dass wir nichts machen, was Kona gefährden könnte.

Dan Lorang zum Utah-Verzicht von Jan Frodeno

Die Schmerztoleranz steigt ja auch und man schätzt als Athlet ein Problem geringer ein, als es dann ist.

Ja, absolut. Das sind ja sehr ehrgeizige Athleten, es gibt eine Weltmeisterschaft mit einem sehr dichten Feld, bei dem jeder topfit an den Start geht. Da will man nicht einfach zurückstecken. Man weiß natürlich, dass man sich an einer Grenze bewegt. In dem Fall konnten wir diesen Schritt aber einfach nicht gehen. Es ist besser, jetzt zurückzustecken und sich um die komplette Erholung zu kümmern, um dann zum Oktober eine Vorbereitung machen zu können, mit der Jan seine Leistung zeigen kann. Das war immer das Ziel und daran hat sich nichts geändert. Die Konsequenzen muss man jetzt ziehen.

Wie sehen die Konsequenzen im Hinblick auf die Trainingsplanung aus und wie reagierst du, wenn es Warnzeichen gibt?

Bei Warnzeichen ist man im engen Austausch mit dem Physiotherapeuten und dem Arzt. Dann bin ich immer ein Freund davon, möglichst wenig Risiko einzugehen. Erst einmal also die Belastung wegnehmen und Alternativtraining machen. Wenn es allerdings Belastungsformen gibt, die einen kleinen Reiz geben, ist das manchmal für eine Sehne auch wichtig, weil die Regeneration dann besser ist, als wenn sie gar nicht mehr belastet wird. Man hat ja im Hinterkopf, dass man einen Marathon nach 180 Kilometern Rad auf höchstem Niveau laufen will. Wenn man jetzt komplett Ruhe macht und dann drei Wochen vorher anfängt zu laufen, wird es wahrscheinlich funktionieren, diesen Wettkampf zu beenden. Aber sicherlich nicht, um die Sehne so anzupassen, dass man einen Marathon mit entsprechender Vorbelastung in entsprechender Geschwindigkeit durchlaufen kann. Ich gehe das dann lieber konservativ an und warte länger. Dann muss der Athlet auch für sich selbst entscheiden, wie der Schmerz auf einer Skala von eins bis zehn ist, und gibt Feedback. Dann versucht man sich schrittweise wieder an die alten Belastungen heranzutasten. Bei diesem Prozess sind wir weg von einer Trainingsplanung, die von Woche zu Woche gut durchläuft, sondern die Planung geht von Tag zu Tag.

Welche Lehren ziehst du für dich selbst oder gibst sie deinen Athleten mit?

Du guckst dir als Trainer das Training an, wie die Belastungssteigerung war, ob man etwas anders gemacht hat, ob das Alter eine Rolle spielt, wie die Einheiten absolviert wurden – du wirst einfach noch feinfühliger. Du guckst, ob du Opfer von Routinen geworden bist, dass du nicht mehr so genau hingeschaut hast und willst einfach herausfinden, an was es gelegen hat. Das macht man für sich selbst, aber auch im Gespräch mit dem Athleten, was man hätte besser machen können. Da geht es gar nicht um Schuldzuweisung und die Lehren sind bei Jan vielleicht andere als bei Lucy. Oft liegt die Ursache auch gar nicht im Jetzt, sondern in einer vergangenen Saison oder der Gesamtbelastung. Das macht die Fehleranalyse schwierig. Wichtig ist, dass man ehrlich miteinander kommuniziert und auch darüber spricht, wenn das Vertrauen gelitten hat. Wenn das Ganze überstanden ist, muss man wieder mit 100 Prozent Commitment zusammenarbeiten können.

Erzeugen neue sportliche Ziele während oder direkt nach einer Verletzung eher Motivation oder Druck?

Ich glaube, das ist von der Persönlichkeit abhängig. Aber Lucy und Jan machen den Sport aus Leidenschaft und für den Erfolg. Der rationale Weg ist natürlich, erst einmal gesund zu werden und dann weiter zu schauen. Das verstehen auch beide. Was sie aber antreibt, ist, wieder fit zu werden und um den Weltmeistertitel zu kämpfen. Natürlich für Kona dann mit Köpfchen und nicht übertrieben, das wäre nämlich genau das Risiko. Das rationale und emotionale ist deshalb beides wichtig, und das Ziel Schritt für Schritt anzugehen. Das gemeinsam gesetzte Ziel spornt die beiden aber an und darauf arbeitet man dann hin.

Hast du abschließend noch einen Tipp für Agegrouper, die vielleicht gerade verletzt sind und sich von ihrem geplanten Saisonhighlight verabschieden müssen?

Versucht, euch ein Ziel zu setzen, das ihr mit jemandem absprecht, der euch eine realistische Einschätzung im Hinblick auf die Verletzung geben kann. Es gibt nichts Blöderes, als erst von acht Wochen auszugehen, und dann sind es doch zwölf. Lieber die Erwartung etwas tiefer ansetzen und beispielsweise sagen: In sechs Monaten werde ich sicher wieder an der Startlinie stehen. Darauf kann man dann hinarbeiten und wirklich hundertprozentig wieder gesund und fit werden. Wenn es dann früher möglich ist, ist es immer besser, sich selbst zu überraschen. Den Rehabilitationsprozess sollte man wie eine Wettkampfvorbereitung sehen. Deshalb kommen viele Profis aus so etwas stärker heraus, weil sie sich auf Details konzentrieren. Darin liegt eine große Chance, wenn man sich Zeit für diese Dinge nimmt und am Ende mit einer höheren Leistungsfähigkeit und neuen Fähigkeiten herausgeht. Das kann eine große Motivation sein und das gilt für Agegrouper ebenso wie für Profis.

Dan Lorang

Lange bevor Dan Lorang 2019 gleich zwei Hawaii-Siege mit Jan Frodeno und Anne Haug ­feiert und die Szene ihn als den „Coach der Weltmeister“ kennenlernt, startet seine Laufbahn mit einem Sportstudium an der ­Technischen Universität München. Er sammelt erste Trainererfahrungen mit zahlreichen Altersklassen­athleten und beginnt bereits im Januar 2007, mit Anne Haug zusammenzuarbeiten. Weitere Stationen für Lorang sind unter anderem 2010 das Cervélo Test Team im Radsport, wo der Luxemburger für ein Jahr als Sportwissenschaftler tätig ist. Von 2011 bis 2012 arbeitet er zunächst für den Baden-­Württembergischen Triathlonverband, bevor er im November 2012 erst DTU-Bundestrainer der U23 wird und vom November 2013 bis Oktober 2016 die Rolle des DTU-Bundestrainers der Elite einnimmt. Zeitgleich startet im Dezember 2012 die Zusammenarbeit mit Jan Frodeno und dem damit verbundenen Projekt des Umstiegs auf die Langstrecke, das eine große Erfolgsgeschichte werden sollte. Nach seiner Zeit bei der DTU beginnt Lorang im November 2016 als Trainer im deutschen Profiradteam ­Bora-hansgrohe und wird im Laufe der Jahre Cheftrainer sowie „Head of Innovation“. ­Neben dieser bis heute andauernden Haupt­tätigkeit im Radsport betreut Lorang zahlreiche Profitriathleten auf verschiedenen Distanzen.

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Anna Bruder
Anna Bruder
Anna Bruder wurde bei triathlon zur Redakteurin ausgebildet. Die Frankfurterin zog nach dem Studium der Sportwissenschaft für das Volontariat nach Hamburg und fühlt sich dort sehr wohl. Nach vielen Jahren im Laufsport ist sie seit 2019 im Triathlon angekommen und hat 2023 beim Ironman Frankfurt ihre erste Langdistanz absolviert. Es war definitiv nicht die letzte.

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