Rodolphe von Berg als den internationalen Aufsteiger des Jahres zu bezeichnen, wäre streng genommen fast eine Beleidigung. Denn bereits 2018 gewann der 26-jährige Mitteldistanz-Spezialist drei renommierte Ironman-70.3-Rennen: die Ironman-70.3-EM in Dänemark, die erste Austragung des Ironman 70.3 Nizza und den Ironman 70.3 Buenos Aires, bei dem gleichzeitig die südamerikanischen Kontinentalmeisterschaften über die 70.3-Distanz ausgetragen wurden. Nachdem man aufgrund dieser Ergebnisse definitiv sagen kann, dass schon 2018 das Jahr von „Rudy“ von Bergs internationalem Durchbruch war, sorgte der in Colorado lebende und in Nizza aufgewachsene Student in diesem Jahr allerdings dafür, dass man um seinen Namen bei bestem Willen keinen Bogen mehr machen konnte. Mit beeindruckenden und äußerst konstanten Leistungen über die gesamte Saison von Mai bis November verteilt, bestätigte von Berg, dass er über die Halbdistanz mittlerweile zu den besten Athleten der Welt gehört.
Belohnt wurde der aus einer Triathlonfamilie stammende US-Amerikaner für die harte Arbeit der vergangenen Jahre mit der bisher besten Saison seiner noch jungen Karriere, in der er drei Ironman-70.3-Kontinentalmeisterschaften gewann: den Ironman 70.3 St. George und die Ironman-70.3-EM, bei der er Javier Gomez knapp hinter sich ließ, sowie den Ironman 70.3 Buenos Aires, bei dem er ebenfalls seinen Titel verteidigte. Außerdem landete von Berg beim Ironman 70.3 Oceanside auf Rang zwei hinter Ben Kanute, wurde Dritter bei „The Championship“ hinter Sebastian Kienle und Pieter Heemeryck und belegte bei seinem Saisonhighlight, der Ironman-70.3-WM in seiner ehemaligen Heimat, den Bronzerang. Bei allen Rennen überzeugte von Berg insbesondere mit exzellenten Radleistungen, die in vielen Wettkämpfen zum schnellsten Split des Tages reichten. Welche Leistungsfähigkeit braucht es beim Radfahren und Laufen, um bei den weltweit am besten besetzten Rennen auf der Mitteldistanz zu gewinnen oder auf dem Podium zu landen? Rodolphe von Berg hat die Aufzeichnungen seiner diesjährigen Rennen öffentlich geteilt – wir haben fünf davon miteinander verglichen und gegenübergestellt.
Ironman 70.3 St. George: 298 Watt und 3:39 min/km
Beim seinem ersten Saisonsieg in St. George erreichte von Berg auf den 90 Radkilometern eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 43,0 Kilometern pro Stunde mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 170 Schlägen in der Minute und einer durchschnittlichen Trittfrequenz (TF) von 90 Umdrehungen pro Minute. Den profilierten Radkurs absolvierte von Berg mit 298 Watt Durchschnittsleistung (AP) und 305 Watt gewichteter Leistung, was einen Variabilitätsindex (VI/ Verhältnis von gewichteter Leistung zur Durchschnittsleistung ) von 1,02 ergibt. Der VI soll Aufschluss über das Pacing und die Leistungsverteilung geben, welche im Normalfall, außer bei extrem bergigen Strecken mit langen Anstiegen und Abfahrten, möglichst gleichmäßig sein soll. Werte von unter 1,03 gelten dabei als sehr gut. Ausgehend von einem Gewicht 72 Kilogramm ergibt sich daraus ein Kraft-Last-Verhältnis von 4,14 Watt pro Kilogramm (AP) und 4,24 Watt pro Kilogramm (NP).
Nach der schnellsten Radfahrt des Tages absolvierte von Berg den Halbmarathon in St. George, der sehr anspruchsvoll und mit vielen Höhenmetern gespickt ist, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3:39 Minuten pro Kilometer. Sieben Profis liefen an diesem Tag zwar teilweise mehr als zwei Minuten schneller, von Berg musste seinen Vorsprung allerdings auch nur bis ins Ziel absichern, was ihm damit ungefährdet gelang.
„The Championship“ 2019: 298 Watt und 3:32 min/km
Auf dem enorm flachen Radkurs mit gerade einmal rund 50 Höhenmetern in Samorin bei „The Championship“ erreichte von Berg eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45,8 km/h. Eine interessante Auffälligkeit: Sowohl AP als auch durchschnittliche Herzfrequenz waren deckungsgleich mit den Daten aus St. George und lagen bei 298 Watt und 170 Schlägen. Die gewichtete Leistung lag bei 302 Watt, woraus sich ein VI von 1,01 ergibt, was bei einem so flachen Kurs und ohne Leistungseinbruch allerdings nicht ungewöhnlich ist.
Beim Laufen, das mit ständig wechselnden Untergründen wie Rasen und Sand sowie vielen Kurven äußerst anspruchsvoll und nicht gerade schnell ist, absolvierte von Berg den Halbmarathon in einem Schnitt von 3:32 Minuten pro Kilometer, nachdem er lang zusammen mit Sebastian Kienle lief, am Ende aber abgeschüttelt wurde. Von Bergs offizielle Laufzeit von 1:13:46 Stunden war die drittschnellste des Tages.
Ironman-70.3-EM 2019: 319 Watt und 3:24 min/km
Bei seiner Titelverteidigung im Rahmen der Ironman-70.3-EM in Dänemark legte von Berg mit einer offiziellen Radzeit von 2:01:36 Stunden die deutlich schnellste Radzeit des Tages auf dem relativ flachen Kurs hin. Bei seiner Aufzeichnung erreichte er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 44 km/h bei einer durchschnittlichen TF von 91 (wie in Samorin). Auch in Dänemark absolvierte er die Radstrecke wieder mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 170 Schlägen. Dieses Mal lag seine Leistung allerdings deutlich über der aus den beiden vorherigen Rennen. Es war gleichzeitig – nur gemessen an den Wattzahlen – seine beste Radleistung der Saison. Dies zeigte sich im Rennen auch darin, dass er sich aus der Spitzengruppe lösen konnte und allen Konkurrenten davonfuhr. Das könnte einen einfach Grund haben: Da von Berg seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen wollte und wusste, dass ihm Javier Gomez als schnellster Läufer im Feld mehrere Minuten beim Halbmarathon abnehmen würde, ergriff er auf dem Rad die Initiative und wählte diese offensive Taktik. 319 Watt AP und 322 Watt gewichtete Leistung standen nach den knapp 90 Kilometern zu Buche. Das ergibt einen VI von 1,01 und ein Kraft-Last-Verhältnis von 4,43 Watt pro Kilogramm AP und 4,47 Watt pro Kilogramm NP (ausgehend von den 72 kg).
Beim Halbmarathon startete von Berg seine Aufzeichnung zu spät und erfasste nur 1:08:30 Stunden von seiner offziellen Zeit, die am Ende 1:11:23 Stunden betrug. In seiner Aufzeichnung erreichte er ein Durchschnittstempo von 3:24 min/km. Obwohl vier Athleten schneller liefen und Javier Gomez mit einer Zeit von 1:07:45 Stunden sogar mehr als dreieinhalb Minuten aufholte, rettete von Berg seinen Vorsprung nur knapp ins Ziel und gewann mit lediglich elf Sekunden Vorsprung.
Ironman-70.3-WM 2019: 304 Watt und 3:25 min/km
Bei der Ironman-70.3-WM in Nizza bot die Radstrecke eine Besonderheit: Der anspruchsvolle Kurs mit rund 1.400 Höhenmetern führte insgesamt etwa 30 Kilometer am Stück mit wechselnder Steigung bergauf und hielt im Anschluss eine dementsprechend lange Abfahrt für die Athleten parat, in der man deutlich weniger Druck auf die Pedale bringen konnte, als zuvor bergauf oder in der Ebene. Trotzdem erreichte Rodolphe von Berg, der in seiner ehemaligen Heimat auch aufgrund seiner guten Streckenkenntnisse die schnellste Radzeit des Tages erzielte, eine Durschnittsleistung von 304 Watt AP und eine gewichtete Leistung von 320 Watt. Den Hauptanstieg am Col de Vence absolvierte er in 27:51 Minuten mit einer Durchschnittsleistung von 366 Watt, was einem Wert von 5,08 Watt pro Kilogramm entsprechen würde, wenn sein Wettkampfgewicht an diesem Tag tatsächlich 72 Kilogramm betrug. Der VI von 1,05 zeigt die relativ ungleichmäßige Verteilung der Leistung – bedingt durch den Anstieg und die Abfahrt. Dieser Wert dürfte bei vielen Konkurrenten, die mit der Strecke nicht ansatzweise so vertraut waren, allerdings noch deutlich höher gewesen sein. Der Wert von Weltmeister Gustav Iden liegt beispielsweise bei 1,09 – errechnet aus 278 Watt AP und einer gewichteten Leistung von 303 Watt.
Beim abschließenden Halbmarathon profitierte von Berg davon, dass er nach der starken Radleistung zusammen mit Iden und Alistair Brownlee rund fünf Minuten vor den schnell laufenden Verfolgern um Kristian Blummenfelt, Javier Gomez, Sebastian Kienle und Bart Aernouts vom Rad stieg. Diese liefen zwar zwei bis zweieinhalb Minuten schneller als von Berg, der ein Durchschnitttempo von 3:25 min/km und eine offzielle Laufzeit von 1:12:15 Stunden hinlegte, konnten ihn aber nicht mehr einholen und somit landete von Berg hinter Iden und Brownlee auf Rang drei. Damit hat der 26-Jährige, der im Normalfall auch mit der Spitzengruppe aus dem Wasser kommt, seine Karten perfekt ausgespielt.
Ironman 70.3 Buenos Aires: 301 Watt und 3:20 min/km
Bei seinem letzten Rennen des Jahres verteidigte von Berg beim Ironman 70.3 Buenos Aires seinen Titel aus dem Vorjahr. Auf dem Rad konnte er sich allerdings nicht von seinen Mitstreitern Pablo Dapena und Igor Amorelli lösen, weshalb das Trio gemeinsam in die zweite Wechselzone kam. Auf der sehr schnellen Strecke erzielte er eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 44,2 km/h. Erstaunlich ist, dass von Berg auch dieses Mal wieder eine HF von 170 Schlägen im Schnitt erreichte – ein Wert, der sich bei den Rennen konstant und punktgenau durch das ganze Jahr zieht. Der 26-Jährige erreichte 301 Watt AP, seine gewichtete Leistung lag bei 307 Watt. Das Rennen musste von Berg dieses Mal allerdings im Laufen entscheiden.
Nachdem das Radfahren während der gesamten Saison zweifelsohne die Waffe des US-Amerikaner war, erzielte er beim Ironman 70.3 Buenos Aires den bisher schnellsten Halbmarathon seiner Karriere. Nachdem der starke Läufer und ehemalige Kurzdistanzler Pablo Dapena von Beginn an davonlief, später aber leicht einbrach, lief von Berg konstant sein Tempo durch und überholte den Spanier auf der zweiten Hälfte der Laufstrecke wieder. Seine offizielle Laufzeit von 1:10:58 Stunden war am Ende 59 Sekunden schneller als die von Dapena. In seiner Aufzeichnung erreichte von Berg eine Durchschnittspace von 3:20 min/km, wobei seine Uhr sogar eine etwas zu lange Strecke (21,33 km) gemessen hat. Diese Daten decken sich allerdings nicht mit anderen Aufzeichnungen, bei denen die Distanz der Laufstrecke eher 200 bis 250 Meter unter der offiziellen Halbmarathon-Distanz liegt. Die Tatsache, dass von Berg aber eine Minute schneller war als Dapena, nachdem ihm dieser bei der EM in Dänemark noch rund zwei Minuten abnahm, zeigt, dass es wohl von Bergs beste Laufleistung in seiner bisherigen Karriere war, wie er es auch selbst einschätzt. Hinzu kommt die mentale Leistung, einen so starken und bereits enteilten Athleten noch einmal zu überholen, nachdem zu gemeinsam losgelaufen ist.
Fazit
Rodolphe von Berg bewies in diesem Jahr, dass er sowohl auf flachen als auch auf profilierten, technisch anspruchsvollen und bergigen Radstrecken zu den besten Triathleten der Welt gehört. Sein junges Alter und seine kontinuierliche Entwicklung beim Laufen, bei dem er mittlerweile auch ein Weltklasse-Niveau erreicht hat, machen ihn mittlerweile in jedem Mitteldistanz-Rennen zu einem Siegesanwärter. Die Tatsache, dass er keine schwache Disziplin hat und auch im Schwimmen stets mit der ersten Gruppe aus dem Wasser kommt, eröffnen ihm zusätzlich viele taktische Möglichkeiten. Zukünftig wird von Berg sicherlich noch für viele Mitteldistanz-Siege und Podiumsplatzierungen bei internationalen Meisterschaften sorgen und ist in Zukunft bestimmt ein interessanter Kandidat, der auch nach einem Umstieg auf die Langdistanz weit vorn in der Weltspitze mitmischen könnte.
Vielen Dank für die interessante Auswertung. Leistungsdaten der Profis sind immer spannend 😉 Wisst ihr wie groß von Berg ist?
Hey Phillip, danke für das Interesse! Zur genauen Größe gibt es von ihm selbst keine eigene Angabe. Müsste aber so zwischen 186 cm und 190 cm liegen. In einem Veranstalter-Steckbrief hieß es einmal 188 cm.
St. George vs. Buenos Aires, Laufverbesserung um ca. 5%. #nikenext%cametrue