Von der eigenen Tempowahl über die Flexibilität bis hin zur Möglichkeit, einfach mal abzuschalten: Hier sind meine Gründe, warum Training allein richtig gut sein kann.
Das Training gehört zum Triathlon dazu wie die Luft zum Atmen. Für manch einen mag es die wunderbarste Sache sein, nicht umsonst gibt es Trainingsweltmeister. Gerade beim Triathlon führt uns das Training mit seinen drei Disziplinen an Orte, die man sonst wahrscheinlich nicht erreichen würde. Man erlebt Geschichten, die im Alltag nicht stattfinden und egal, wie man es erlebt: In den meisten Fällen ist es ein Vergnügen. Das Vergnügen ist ebenso schön, wenn es mit Trainingspartner geteilt werden kann. Es kann motivierender sein, wenn die Leidenschaft mit Gleichgesinnten geteilt wird. Da Triathlon jedoch aus drei Individualsportarten besteht, gibt es die Möglichkeit, das Abenteuer selbst in die Hand zu nehmen – anders als beim Fußball oder anderen Mannschaftssportarten.
Ich komme aus dem Leistungssport, wo ich den Zusammenhalt immer geschätzt habe und ein Befürworter von Trainingsgruppen bin. Eine hohe Leistungsdichte kann nur dann entstehen, wenn man sich Tag für Tag an den besten Athleten messen kann. Der Drive, morgens gemeinsam dem Traum hinterherzujagen und seine Ziele zu verfolgen, kann ansteckend sein und beflügeln. Doch so sehr ich dafür einstand, dass wir gemeinsam das Training begonnen und beendet haben, so sehr habe ich nach meiner Leistungssportkarriere die „Soloseite“ des Sports lieben und die Vorzüge kennengelernt. Versteht mich nicht falsch: Ich mag es immer noch, in der Gruppe zu trainieren, mich mit Freunden im Training zu messen oder auch einfach für Einheiten zu treffen. Aber es gibt teilweise nichts Besseres, als allein loszuziehen. Hier sind meine Dinge, die ich am meisten am Solotraining liebe – und vielleicht geht es dir ebenso.
1. Du bestimmst die Startzeit
Wenn nicht bei allen nur das Training im Vordergrund steht wie zu meiner Leistungssportzeit, und der Sport nahezu der Beruf ist, kann einiges dazwischenkommen. Allein die Findung vom gemeinsamen Jour fixe ist nicht einfach. Mal kommt hier ein Meeting dazwischen oder da muss noch pünktlich ein Projekt fertig werden und es fallen Überstunden an. Zahlreiche Nachrichten werden verschickt, um mitzuteilen, dass man doch nicht kommt, dass es später wird oder ob man nicht doch gemeinsam das Training verschiebt, weil beim zu wenige Personen auftauchen werden. Ein fester Termin kann zwar für einige eine Motivation sein, gerade an dunklen oder nassen Tagen die Laufschuhe oder das Radtrikot anzuziehen. Auch Morgenmuffel werden zum Schwimmen animiert. Aber ich finde es großartig, meine Entscheidung selbst zu fällen, wann ich trainiere. Allein die Absprache mit der Familie gibt mir hier teilweise die Möglichkeit Zeitfenster zu wählen, die sich im Vorhinein gar nicht aufgezeigt haben. Eine späte Laufeinheit durch die Abendsonne oder doch noch die letzte Stunde des Schwimmbades ausnutzen, weil die Einheiten am Tag getauscht wurden, lässt sich beim Solotraining viel besser umsetzen als bei einer Gebundenheit an feste Zeiten. Das Projekt ohne Druck zu beenden, weil ich mein Training flexibel schieben kann, wird in dem Fall für Beruf sowie für das Training mehr bringen. Wenn ich die Arbeit unter Zeitdruck beende, wird meine „Festplatte“ beim Sport unnötig belegt sein.
2. Flexibilität der eigenen Route
Ich fahre selten mit einem festen Routenplan im Kopf los. Meine Ausfahrt entwickelt sich, während ich trainiere. Natürlich checke ich vorher meinen Trainingsinhalt und überlege, welche Richtung dafür am passendsten wäre, aber bin nicht zu hundert Prozent festgelegt. Ich liebe die Freiheit, die sich mit während der Ausfahrt bietet, ich kann die Strecke nach Belieben gestalten, ergänzen oder abkürzen. Gerade im Urlaub oder an Orten, wo man sich nicht auskennt, ist es doch spannend, im Training neue Sachen zu entdecken. Hier einen Hügel mitnehmen, die Schotterstraße nehmen oder doch eine Straße, die nach einem Shortcut aussieht. Natürlich geht das mit einem Gravelbike leichter als mit einem Zeitfahrrad, aber auch hier bieten sich Möglichkeiten, individuell zu entscheiden. Routen bei Gruppenfahrten hingegen sind in der Regel festgelegt. Ein Schlenker für mehr Höhenmeter oder eine wunderbar geschlängelte Abfahrt? Eher undenkbar. Hier ist man im Korsett der ausgerufenen Route, da alle Teilnehmer wissen wollen, wie weit es noch bis nach Hause ist.
3. Du entscheidest über die Geschwindigkeit
Spätestens beim Tempo trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Gegensatz zu meiner leistungssportlichen Karriere, wo alle Sportler annähernd das gleiche Leistungsniveau hatten, ist im Agegroup-Bereich doch eine wesentlich größere Streuung. Manch einer schwimmt viel besser, tritt mehr Watt oder ist einfach ein begnadeter Läufer. Die Trainingszonen unterscheiden sich zum Teil so gravierend, dass ein Training nach Plan nicht möglich ist. Mein LIT- oder GA1-Bereich auf dem Rad mag für jemand anderen schon im EB-Intervall liegen, ebenso kann ich beim Schwimmen keine 1:30er-Abgangszeiten einhalten, die mir vom Trainingspartner vorgeschwommen werden. Beim Schwimmen mag es noch das kleinste Übel sein. Im Becken begrenzt sich der Abstand durch die Länge der Bahn und man ist dennoch gemeinsam aktiv. Beim Radfahren und Laufen sieht es jedoch eben ganz anders aus. Sobald spezifischer trainiert werden soll und kein Groupride oder Coffee-Run auf dem Plan steht, wird es mit der Umsetzung des gemeinsamen Trainings schwieriger. Natürlich gibt es auch hier homogene Gruppen, die müssen sich aber auch erst einmal finden. Und seien wir doch mal ehrlich, egal ob beim Laufen oder Radfahren: Es gibt kein schlimmeres Gefühl, als in einer Gruppe zu sein, in der etwas zu schnell gelaufen oder gefahren wird, sodass man nach Luft schnappen muss und Mühe hat, sich mit der Person neben einem zu unterhalten. Ebenso verhält es sich, wenn das Tempo zu langsam ist, dann können die stärkeren Fahrer schnell frustriert werden und wollen immer ein wenig mehr aufs Tempo drücken. Der Mittelweg ist schwierig zu finden, wenn es keine Fahrt ist, die ohne besonderen Trainingsinhalt auskommt. Allein wirst du in den meisten Fällen, sofern es keine homogenen Trainingspartner sind, effektiver und effizienter trainieren. Du wirst deine Pausenzeiten exakt einhalten, deine Zonen treffen, weil du keine Rücksicht nehmen musst und nicht zu sehr drauftreten müssen, um dranzubleiben. Du hast einfach die gesamte Kontrolle in deiner Hand.
4. Abschalten und Entspannen
Das Training ist die Zeit für sich selbst, die gut tut. Die Flucht aus dem Alltag, die Freiheit genießen, die Ruhe walten lassen und einfach im Hier und Jetzt sein. Die leeren Batterien des Arbeitstages aufladen und mit mehr Achtsamkeit die Natur genießen. Jegliche Ablenkung weglassen – das kann eine der besten Therapien sein. Auch wenn mir Läufe oder Fahrten mit anderen Spaß machen, kommt dieses intensive Gefühl mit der Natur hauptsächlich beim Training allein. Ein lauer Frühlingsmorgen, eine hochsommerliche Nachteinheit, ein Spätsommertag oder auch der knirschende Schnee im Winter sind Momente, die in der gesamten Wahrnehmung unbezahlbar sind.