„Das kann nicht wahr sein“. Das war mein erster Gedanke, als ich nach wenigen Kilometern auf der Radstrecke ein Zischen am Hinterrad wahrgenommen habe. Ein Blick zurück bestätigte meine Vermutung: ein platter Hinterreifen beim Ironman 70.3 in Dresden.
Aber der Reihe nach. Vom Rennen in Polen zwei Wochen zuvor habe ich mich super erholt und einige Trainingseinheiten eingetütet, die mir viel Selbstvertrauen gegeben haben und meine Vorfreude auf Dresden sehr groß haben werden lassen. An den Tagen vor dem Rennen lief alles wunderbar, ich fühlte mich auch für die kalte und nasse Wettervorhersage vorbereitet, war entspannt, und gleichzeitig bereit Gas zu geben. Nachdem ich mir die Strecken gut angeschaut habe, wuchs meine Vorfreude nochmals ein Stückchen an. Ich weiß, dass sich Ironman Germany mit der Rennverschiebung von Dresden wenig Freunde gemacht hat und kann den Unmut unmittelbar nach der Absage auch nachvollziehen. Aber ich hoffe sehr, dass das Rennen in den nächsten Jahren stattfinden kann, denn das kann mit vollen Startfeldern und etwas besserem Wetter ein richtig tolles Event vor genialer Kulisse werden.
Blubbernde Dichtmilch an Position drei
Nun zu meinem Rennen: Dem Schwimmen im Alberthafen schaute ich mit großem Respekt entgegen. Kräne und Container links und rechts vom schmalen Kanal, ein paar Pfosten in der Mitte des Wassers, prägen das Bild, das zum Baden, vor allem wenn man es mit dem Meer oder einem Badesee vergleicht, nicht gerade einladend wirkt. Aber irgendwie hatte genau das auch seinen Reiz – Abenteuercharakter. Da die Luft- und die Wassertemperatur kühl waren, wurde das Schwimmen auf 750 Meter verkürzt. Ich fand mich nach dem Start im vorderen Teil der großen Gruppe wieder und blieb an dieser Position bis zum Ausstieg. Vorn waren drei schnelle Kurzdistanzlerinnen mit einer kleinen Lücke weg. Mit einem guten Wechsel stieg ich an Position vier aufs Rad und hatte mich nach wenigen Kilometern auf drei vorgearbeitet – bis bei Kilometer sechs mein Hinterrad zischende Geräusche von sich gab. Ich fuhr rechts ran, stieg von meinem Argon 18 und versuchte den Schaden einzuschätzen. Die Dichtmilch in meinem Hinterrad hat leider nicht abgedichtet und blubberte vor sich hin. Ich hatte in meinem Leben noch nicht viele Platten und nur einen mit Tubeless-Reifen, aber dass das so nicht richtig sein kann, war mir schnell klar.
Große Geste von der Konkurrenz
Wenig später fuhr Laura Jansen vorbei und gab mir ihr Ersatzkit. Eine Geste, die meine Panne zwar nicht rettete und auch nicht ganz regelkonform war, aber die mir viel bedeutet hat. Danke an dieser Stelle an die Menschen, die trotz Wettbewerb und Ehrgeiz sich kurz Zeit nehmen, um jemand anderen zu unterstützen. Dazu war es eiskalt. Jede Minute, in der ich mich nicht bewegte und vom Schwimmen noch klatschnass im Wind stand, begann ich mehr zu zittern. Ich hatte den Gedanken, das Rennen ins Ziel zu bringen, zwar früh verworfen, versuchte aber trotzdem meinen Mantel von der Felge zu bekommen, damit ich wenigstens wieder zurück zur Wechselzone fahren kann. Ein Zuschauer am Streckenrand rief parallel meinen Mann an, der im Auto bereits auf dem Weg zur Radstrecke war. Joel drehte um und dank meiner Beschreibung „da, wo wir vorgestern leckeren Kuchen gegessen haben“ wusste er schnell wohin. Ich beendete meinen Versuch, wieder Luft ins Hinterrad zu bekommen, und marschierte zurück. Beim Zurücklaufen habe ich auch gesehen, dass eine zerbrochene Glasflasche am Streckenrand lag, wenige Meter, bevor ich das Zischen wahrgenommen habe. Bei Joel endlich angekommen, war die Enttäuschung natürlich riesig. Ich bin gekommen, um meine gute Form unter Beweis zu stellen und um den Sieg mitzukämpfen. Jetzt hatte ich nur jede Menge Energie übrig, die ich irgendwie loswerden musste. Ehrlich gesagt wurde die erste Enttäuschung aber schnell gelindert: So durchgefroren wie ich war, konnte eine heiße Dusche und trockene Kleidung mich schon wieder glücklicher machen.
Sportliches Anfeuern als Alternativprogramm
Meine Energie war jedoch nach wie vor da und musste raus. Ich bin also laufen gegangen, entlang der Elbe, anfangs auf der 70.3 Laufstrecke, später dazwischen. Hin und her, manchmal im Sprint, manchmal sehr easy, ohne auf die Uhr zu schauen und immer wieder mit Stopps zum Anfeuern. Es hat mir unheimlich viel Freude gemacht und mit jedem Lächeln oder „Danke“, das ich auf meine Zurufe zurückbekam, wurde ich ein Stück fröhlicher. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man einen bescheidenen Tag haben und gleichzeitig Freude empfinden kann. Das zeigt mir, dass Triathlon genau meine Sportart ist.
Direkt nach dem Aufwachen am nächsten Morgen wurde ich noch mal etwas trübsinnig und trauerte der verpassten Chance nach, aber ein Blick in meinen vollen Trainingpeaks-Kalender ließ nicht zu, dass die negative Stimmung lange anhielt. Und so frisch getapert lässt es sich ganz wunderbar trainieren.