Wie sehr wir etwas lieben, wird oft erst deutlich, wenn wir es nicht mehr haben können. Zum Beispiel die komplette Strava-Welt, von der wir User seit Anfang der Woche ferngehalten werden. Denn ein mächtiges Hindernis steht uns im Weg. Eine Hürde namens Geld.
Folgendes war passiert: Mit einem Brief der Gründer wandte sich Strava an seine rund 55 Millionen User und gab nach einigen einleitenden Worten über die jüngsten Entwicklungen einen Einblick in die finanzielle Situation der Firma: „Noch sind wir kein rentables Unternehmen, müssen aber eins werden, um unseren Sportlern den größten Mehrwert zu bieten“, heißt es.
Veränderung mit Folgen
Eine Feststellung, die der Strava-Welt eine Änderung mit Folgen beschert, denn die Gründer legten mit folgenden Worten die Karten auf den Tisch: „In der Zukunft dreht sich bei Strava alles um die Mitgliedschaft. Das bedeutet, dass ab heute einige unserer kostenlosen Funktionen, die besonders komplex und damit teuer zu unterhalten sind, wie z. B. Segment-Bestenlisten, nur Strava-Mitgliedern zur Verfügung stehen.“ Rumms!
Im Detail heißt dies: Es gibt ab sofort Funktionen, die kostenlos waren, aber nun hinter die Bezahlschranke gewandert sind. Dies sind der Wettbewerb und die Analyse über die Segment-Ranglisten (nur der Einblick in die Top-10-Bestenliste bleibt kostenlos) und sogenannte Matched Activities (Läufe und Radfahrten).
Weiterhin kostenfrei möglich ist das Erstellen, Entdecken und Suchen von Segmenten sowie der Einblick in persönliche Erfolge innerhalb einer Aktivität. XOMs, CRs und PRs werden immer noch kostenlos gezeigt.
Verärgerung trotz neuer Features
Natürlich betont Strava, dass es zudem eine Reihe von neuen Training- und Routing-Features gibt, die Abonnenten künftig nutzen können. Und es werden weitere Entwicklungen in Aussicht gestellt. Doch die Diskussionen auf den verschiedenen Plattformen drehen sich fast ausschließlich um die Ranglisten auf den Segmenten. Und was ihr Wegfall für die User der kostenfreien Version bedeutet, darüber könnten die Meinungen nicht weiter auseinandergehen.
Auf der einen Seite steht der Hardcore-Wettkämpfer. Seine Position: „Strava hat uns über Jahre genutzt, um groß zu werden, und nun stehlen sie uns mit dem Wettbewerb auf den Segmenten den Kern des Ganzen. Ohne die Ranglisten, die ohnehin uns gehören, da sie aus unseren Daten bestehen, ist Strava nutzlos.“
Und auf der anderen Seite, die meilenweit entfernt liegt, da stehe ich. Meine Meinung: Ich nutze Strava zur Dokumentation meines Trainings und um zu gucken, wie sich meine Leistungen entwickeln. Außerdem interessiert es mich, was andere so machen. Deshalb ändert sich für mich nicht wirklich viel. Dazwischen: unzählige Schattierungen in beide Richtungen.
Eine Frage der Wertschätzung
Am Ende lassen sich aber alle Diskussionen auf einen Punkt reduzieren: Ist mir die Bezahlvariante fünf Euro im Monat Wert oder ist sie es nicht? Die Antwort lautet „ja“? Fein. Strava wird sich freuen. Die Antwort lautet „nein“? Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Variante 1: Strava den Rücken kehren und etwas anderes nutzen. Variante 2: Mit dem leben, was die kostenlose Variante weiterhin anbietet.
Fakt ist: Alle Nutzer der kostenlosen Variante wären glücklicher gewesen, wenn sie die komplette Strava-Welt weiter umsonst bekommen hätten. Fakt ist auch: Strava vollzieht einen harten Cut, in dem es ein Element wegnimmt, das vielen Usern wichtig ist, statt die Bezahlvariante so massiv aufzuwerten, dass diese auf einen Schlag deutlich attraktiver wird als die bestehende Umsonstversion. Zudem beschneidet Strava durch seine Entscheidung unzählige Apps, die die Segmente für ihre Funktionen genutzt haben.
Fakt ist am Ende aber auch: Strava ist nichts, auf das man als Athlet oder App-Anbieter Anspruch hat. Es ist schlicht ein Unternehmen, das verschiedene Leistungen anbietet und für einen Teil davon nun Geld verlangt. So wie es viele andere Unternehmen auch tun, die in der Diskussion immer wieder genannt werden (Facebook, Instagram, …), nur das deren Währung nicht Geld ist. Hier bezahlt man mit dem Aushalten von Werbung und dem Einverständnis, dass die eigenen Daten für Werbezwecke genutzt werden. Beides Dinge, die Strava nach eigener Aussage nicht tut.
Zu gut, um gratis zu sein
Ich nutze Strava seit 2013 und seit den ersten Tagen werde ich von den Verantwortlichen immer wieder zu meiner Meinung zur Bezahlversion befragt. Meine ehrliche Antwort: So lange die Umsonstvariante so gut ist, sehe ich bei der Premiumversion keinen entscheidenden Vorteil für meine Art der Nutzung, der mich zum Wechseln bewegen würde.
Ich bin also Teil des Problems, das Strava seit den frühen Jahren mit sich herumträgt, denn so wie ich denken viele. Man konnte einfach nicht genügend User zur Mitgliedschaft überreden, da die Umsonstvariante einfach zu gut war.
Nun ist dies für viele User nicht mehr der Fall und die Zukunft wird zeigen müssen, wie viele dem Unternehmen deshalb den Rücken kehren, wie viele Sportler weiter murrend die Umsonstvariante nutzen und wie groß die Anzahl jener ist, die sich für eine Mitgliedschaft entscheiden und dann fünf Euro im Monat für das Produkt Strava bezahlen. Ob ich am Ende dazugehören werde, habe ich noch nicht entschieden. Dafür nehme ich mir die 60 Tage Probezeit.