Samstag, 23. November 2024

Jonas Deichmann sitzt in der Türkei fest

„In der letzten Woche ist einiges passiert, leider nicht nur Gutes“, resümiert Jonas Deichmann die letzten sieben Tage. Am vergangenen Wochenende ging es früh morgens von Charmanli weiter in Richtung Türkei. Das Nachbarland Bulgariens, in dem sich Deichmann wieder wärmere Tage und weniger Winter erhoffte, war nur noch knapp 40 Kilometer entfernt. Im Dreiländereck von Bulgarien, der Türkei und Griechenland passierte Deichmann in der Stadt Edirne die bulgarisch-türkische Grenze. „Ich war richtig froh, aus Bulgarien rauszukommen. Es war einfach richtig schlechtes Wetter, immer kalt und grau und alles hatte geschlossen. Das war insgesamt irgendwie eine deprimierende Stimmung“, sagt Deichmann. In der Türkei erhoffte er sich das Gegenteil.

Bevor er jedoch türkischen Boden unter den Reifen hatte, musste Deichmann erst einmal ein wenig verhandeln. „Ich bin an den Grenzposten gekommen und wusste schon vorher, dass ich dort eigentlich nicht rüber darf, da es eine Autobahn ist“, sagt Deichmann. Für einige Meter wollte er also kurz auf die Autobahn, um diese nach dem Passieren der Grenze dann schnellstmöglich wieder zu verlassen, so Deichmanns Plan. Der nächste Grenzposten wäre knapp 60 Kilometer entfernt gewesen, diesen Umweg wollte er sich ersparen. „Auf bulgarischer Seite war das kein Problem, die haben mich sofort durchgelassen. Auf der türkischen Seite haben sie mich erst einmal angehalten und mir signalisiert, dass ich nicht weiterfahren darf“, sagt Deichmann. Die Grenzbeamten wollten den Abenteurer wieder zurück nach Bulgarien schicken. Da die Beamten kein Englisch sprachen, war eine Kommunikation nahezu unmöglich. „Irgendwann haben sie mich dann doch über die Grenze gelassen, vor allem, weil sie mich wohl einfach loswerden wollten“, sagt Deichmann. 

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Neues Land, neue Bestimmungen, alte Probleme

In der Türkei erwartete Deichmann aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen vor Ort ein äußerst seltsames Bild. „Am Wochenende herrscht für die Einheimischen eine Ausgangssperre, für die Touristen und ausländischen Geschäftsleute jedoch nicht. Das war ein ganz komisches Gefühl. Ich war quasi nahezu allein auf der größten Autobahn der Türkei unterwegs“, berichtet Deichmann. Anders als in Bulgarien haben aber auch trotz der Ausgangssperre einige Geschäfte und Cafés in der Türkei geöffnet. Von einem Cafébesitzer in Edirne wurde Deichmann dann direkt auch eingeladen. „Ein Mann hat mir von Straßenrand zugewunken und mich eingeladen. Er hat lange Zeit in Deutschland gelebt und mich zum Kaffee eingeladen“, sagt Deichmann. 

Optimale Bedingungen auf dem Weg in die Millionenmetropole: Jonas Deichmann schwärmt von „feinsten Gravelstrecken“ nach Istanbul.

Intervalltraining in türkischen Dörfern

Nach der Stärkung ging es für Deichmann auf kleineren Schotterstraßen weiter, auch um die großen und gefährlichen Hauptstraßen in der Region zu vermeiden. „Dabei habe ich ordentlich Höhenmeter gesammelt, da es immer leicht bergauf und bergab ging.“ Über „feinste Gravelstrecken“ ging es für Deichmann weiter durch die türkischen Dörfer. Dort sorgten immer wieder Hunde dafür, dass es nicht langweilig wurde. „Von denen wurde ich öfter einmal gejagt, ein Intervalltraining für mich“, scherzt Deichmann. Am ersten Abend in der Türkei gestaltete sich die Suche nach dem Essen erst einmal schwieriger als zuvor erhofft. „Ich musste mich erst einmal wieder an die neuen Corona-Bestimmungen gewöhnen, bis wann ich etwas zu Essen bekommen. Es blieb dann nur ein Burger King übrig, der als einziges Geschäft noch geöffnet hatte“, sagt Deichmann. 

Von den kleinen Straßen ging es am kommenden Tag weiter ins große Verkehrschaos. Sein Zwischenziel Istanbul konnte er nur über einen zehnspurigen Highway erreichen. „Dort ging es dann nur noch im Schritttempo vorwärts“. In den darauffolgenden Tage tauchte Deichmann in das Leben der 15-Millionen-Einwohner-Metropole ein. „Es war sehr toll, hier anzukommen, weil es einfach auch eine sehr spektakuläre Stadt ist mit den Moscheen und dem Bosporus und vor allem auch das Essen ist der Wahnsinn“, berichtet Deichmann. Den ersten Abend in Istanbul erhielt Deichmann eine Einladung eines Gleichgesinnten: Der Deutsche Simon Woywod, der aktuell mit dem Rad von Schweden nach Zentralafrika unterwegs ist und zur Zeit einen Monat in Istanbul pausiert, lud Deichmann in sein Airbnb-Appartment ein. Und auch seine Filmcrew stattete Deichmann in Istanbul für einige Aufnahmen einen Kurzbesuch ab. 

Kulinarische Köstlichkeiten: Jonas Deichmann ist von Istanbul und seiner kulturellen Vielfalt begeistert.

Diplomatische Hürden verhindern vorerst die Weiterreise

Nach den angenehmen Programmpunkten warteten dann die nervenraubenden Aufgaben auf den Abenteurer: Behördengänge. „Ich musste meine Visa besorgen. Ich war dann beim russischen Konsulat, die mich beim ersten Mal überhaupt nicht reingelassen haben.“ Und auch beim deutschen oder chinesischen Konsulat hatte Deichmann zuvor auf Emails oder Anrufe keine Rückmeldung erhalten. „Also bin ich am zweiten Tag erneut zum russischen Konsulat gegangen und einfach nicht mehr weggegangen“, berichtet Deichmann. Die Taktik, die zuvor am türkischen Grenzposten funktioniert hatte, fruchtete nun auch in diesem Fall. „Irgendwann haben sie mich dann reingelassen.“ Auf den kleinen Zwischensieg folgte jedoch schnell die Ernüchterung. „Es gibt für mich keine Sondergenehmigung. Ich bin dann sehr schnell wieder aus dem Konsulat gewesen“, sagt Deichmann. Das Problem: „Von hier in Richtung Osten sind momentan alle Länder für Tourismus geschlossen, mit der Ausnahme von Kasachstan. Für Geschäftsreise wie mich sind die Länder geöffnet. Jedoch kann man nur in die Länder fliegen und nicht über die Ländergrenzen mit dem Rad einreisen, dafür bräuchte ich eine Sondergenehmigung“, sagt Deichmann. Nach den schlechten Nachrichten in Istanbul kontaktierte er die russischen Botschaften in der Schweiz und in Deutschland. „Aber auch dort ging es nicht weiter. Deshalb sitze ich jetzt erst einmal hier in der Türkei fest und weiß nicht, welche Route machbar ist“, sagt Deichmann. 

Deichmann schmiedet Plan B und hofft auf Unterstützung

Von den aktuellen Gegebenheiten und bürokratischen Steinen, die ihm in den Weg gelegt werden, lässt sich der Abenteurer jedoch nicht unterkriegen. „Es ist ja glücklicherweise kein Geschwindigkeitsrekord. Deswegen harre ich hier so lange aus, bis es eine Lösung gibt“, sagt Deichmann. Für die bevorstehende Wartezeit hat sich Deichmann auf eine Alternativroute gemacht. „Ich bin weiter am Bosporus gefahren. Erst einmal waren das 130 Kilometer Industrie und Urbanisierung.“ Ab Samstag wartete jedoch dann wieder eine schönere Strecke auf ihn. „Da ich noch nicht weiß, wie es weitergeht, mache ich einen kleinen Schlenker in den Süden, an der Mittelmeerküste entlang bis an die syrische Grenze und dann an der iranischen Grenze entlang wieder in Richtung Norden. „Ich hoffe, wenn ich dann wieder im Nordosten der Türkei bin, dass es dann auch eine Lösung für mein Dilemma gibt“, sagt Deichmann. Entgegen der sonst immer direkten Route, die der Abenteurer üblicherweise wählt, will er auf dieser Ausweichroute auch einige Pässe ansteuern. „Dadurch bin ich dann eine ganz schöne Weile unterwegs“, sagt er. 

Kein Grund, das Rad in die Ecke zu stellen: Jonas Deichmann sucht sich aufgrund der aktuellen Gegebenheiten eine Alternativroute.

Nachdem Deichmann seine aktuelle Lage auch über seine Social-Media-Kanäle verbreitet hatte, erhielt er einige Rückmeldungen – auch aus der Politik. „Aus diplomatischen Kreisen habe ich nun durchaus vielversprechende Kontakte und Möglichkeiten und hoffe, dass ich dadurch meine Sondergenehmigung bekomme und dann direkt weiter nach Russland einreisen kann. Dann wäre freie Fahrt bis an den Pazifik. Aber erst einmal bin ich jetzt für unbestimmte Zeit in der Türkei“, sagt Deichmann. Einerseits sei die aktuelle Lage erst einmal ein Stück weit frustrierend, andererseits hatte er in Zeiten der Corona-Pandemie mit solch einem Szenario durchaus gerechnet. „Ich hätte eher vermutet, dass mich dieses Schicksal weiter östlich ereilt, aber ich kann es nicht ändern und mache nun das Beste aus der Situation.“ Es gebe schlimmere Länder als die Türkei, um festzusitzen. „Ich arbeite weiter an einer Lösung, um über Georgien nach Russland zu kommen“, so Deichmann. 

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Marvin Weber
Marvin Weberhttp://marvinweber.com/
Marvin Weber ist Multimedia-Redakteur bei triathlon: Neben Artikeln fürs Magazin und die Homepage ist der gebürtige Siegerländer auch immer auf der Suche nach den besten Motiven für die Foto- und Videokamera. Nach dem Umzug in die neue geliebte Wahlheimat Hamburg genießt er im Training vor allem die ausführlichen Ausfahrten am Deich.

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