Könnt ihr fünf Triathloncoaches aufzählen? Ganz bestimmt. Wie viele Trainerinnen waren in der Aufzählung dabei? Erwischt. Der Triathlonsport wird zwar bei Frauen immer beliebter, doch von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis kann keine Rede sein. Nicht nur auf Start- und Ergebnislisten sind Frauen unterrepräsentiert, sondern auch unter den Personen, die maßgeblich für die Leistungen verantwortlich sind – die klare Mehrheit der Trainer sind Männer. Wieso ist das so? Dieser Frage wollten wir auf den Grund gehen und haben dazu mit vier erfolgreichen Trainerinnen gesprochen sowie mit zwei Athleten, die von Frauen trainiert werden. Außerdem beschäftigen wir uns damit, was männliche und weibliche Coaches unterscheidet, wie sie arbeiten und welchen Herausforderungen sie sich stellen müssen.
Frauen in der Unterzahl
„Was im Triathloncoaching in der öffentlichen Wahrnehmung fehlt, sind weibliche Vorbilder“, sagt Laura-Sophie Usinger. Sie arbeitet seit zwei Jahren im Umfeld von Philipp Seipp und betreut unter anderem Franz Löschke, Jan Stratmann, Anna-Lena Pohl und Lea Sophie Keim. Männern werde eher eine Führungsposition zugetraut, Frauen müssten sich dagegen mehr über Leistung qualifizieren, so Usinger. Fehlende Diversität spiegele sich in der gesamten Szene wider.
Eines der wenigen Vorbilder und die vielleicht bekannteste Trainerin ist Siri Lindley. Nach ihrer eigenen Profikarriere, die sie als zweifache Weltmeisterin auf der Kurzdistanz im Jahr 2002 beendete, wechselte sie die Seiten, um ihre Erfahrungen an andere Athleten weiterzugeben. „Ich verstehe das ganz und gar nicht, wieso es so wenige Trainerinnen gibt – ich wünschte, es wären mehr“, sagt Lindley. Sie selbst habe immer den Wunsch gehabt, als Coach zu arbeiten, und habe diesen Wunsch dann direkt nach ihrem Karriereende „einfach in die Tat umgesetzt“. „Ich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt und überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass ich es vielleicht schwerer haben könnte“, erzählt sie. „Da ich nicht mit besonderen Herausforderungen gerechnet habe, nur weil ich eine Frau bin, gab es auch keine.“
Yvonne van Vlerken bestätigt diese Sichtweise. Sie wurde jahrelang von Siri Lindley trainiert. Nach zahlreichen Siegen auf der Lang- und Mitteldistanz inklusive Weltmeistertiteln und 17 Langdistanzen unter neun Stunden hat van Vlerken ihre aktive Karriere im Jahr 2019 beendet und arbeitet nun selbst als Coach. „Grundsätzlich können Frauen das genauso gut. Man muss sich nur trauen, den Schritt zu gehen. Ich hatte keine Probleme, den Einstieg als Trainerin zu finden“, sagt sie. „Das liegt aber sicher auch an meinen eigenen Erfolgen als Athletin, da musste ich niemandem mehr etwas beweisen.“ Eine aktive und erfolgreiche Laufbahn als Athletin kann also ein wirkungsvoller Türöffner in das Coaching sein, doch auch wissenschaftliche Expertise und fundiertes Fachwissen gehören zum Beruf.
Susanne Buckenlei bringt als diplomierte Sportwissenschaftlerin beides mit. Auch sie war zwar als Profiathletin aktiv und hat unter anderem dreimal den Norseman Xtreme Triathlon gewonnen, doch sie sagt selbst, dass sie es mit ihrem Niveau nicht in die Weltspitze geschafft hätte. „Nur vom Beruf als Profisportlerin hätte ich nicht leben können“, so Buckenlei. Sie arbeitet mittlerweile seit 15 Jahren als Triathloncoach und betreut neben Agegroupern auch Profis wie Anja Ippach und Johannes Moldan. Zu Beginn ihrer Tätigkeit als Trainerin habe sie sich den Respekt ihrer Athleten und Kollegen erst erarbeiten müssen. „Ich habe es besonders in jüngeren Jahren oft erlebt, dass man versucht hat, mir vorzuschreiben, was ich in den Trainingsplan schreiben soll“, sagt sie. Vor allem von Männern seien ihre Arbeitsweise und Kompetenz manchmal infrage gestellt worden.
Auch Laura-Sophie Usinger hat ein sportwissenschaftliches Studium abgeschlossen und greift als Trainerin auf dieses Wissen zurück. Kritikern begegnet sie mit einem strengen Umgang. „Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand ein Problem mit meiner Autorität hat, glaube ich, dass ich dann erst recht autoritär bin“, sagt Usinger. Ihr Fachwissen in Sachen Diagnostik, Physiologie und der Analyse von Leistungsdaten schätzt sie als ihre großen Stärken ein. Hinzu komme jedoch der persönliche Umgang mit dem Athleten, den man nicht im Rahmen eines Studiums erlernen könne. „Ich schätze an Laura besonders ihre Gelassenheit, die Offenheit für neue Trainingsmethoden und ihren Humor“, sagt ihr Athlet Franz Löschke.
Unterschätzte Fähigkeiten
Diese persönliche Komponente ist ein entscheidender Faktor, der einen guten Coach ausmacht. Das Zauberwort lautet hierbei: Kommunikation. Sie ist das A und O in einer erfolgreichen Trainer-Athleten-Beziehung. „Bei all meinen Athleten verfolge ich den gleichen Ansatz. Ich möchte wissen, was sie motiviert oder verängstigt, ich möchte ihre Stärken und Schwächen kennen“, sagt Siri Lindley. Diese Herangehensweise hat auch ihre ehemalige Athletin und jetzige Kollegin Yvonne van Vlerken übernommen. „Ich stehe mit meinen Athletinnen in täglichem Kontakt und baue dadurch eine intensive Bindung zu ihnen auf. Ich trainiere niemanden, der nicht bereit ist, mit mir über alles zu sprechen“, sagt sie.
Ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, Kommunikationsstärke und Fingerspitzengefühl sind Eigenschaften, die meist Frauen zugeschrieben werden und gleichzeitig auch für den Beruf des Trainers ein großer Vorteil sind. Insbesondere in einer komplexen Sportart wie Triathlon muss es ein Coach verstehen, in einer persönlichen Betreuung individuell auf jeden Athleten sowie dessen Voraussetzungen und Bedürfnisse einzugehen. Franz Löschke konnte in seiner Karriere keine grundlegenden Unterschiede zwischen Trainerinnen und Trainern feststellen: „Ich habe bei jedem Coach viel gelernt. Der einzige Unterschied in der Arbeitsweise ist vielleicht, dass Laura nie gestresst wirkt, was bei den Männern manchmal der Fall war“, sagt er.
Einer, der davon aus eigener Erfahrung berichten kann, ist Till Schenk. Er sorgt nicht nur als Moderator im Zielkanal vieler Triathlonwettkämpfe für gute Stimmung, sondern auch für Aufsehen mit abenteuerlichen Aktionen auf dem Rad. Beim Ironman Südafrika absolvierte er seine erste Langdistanz. Fit gemacht wurde er dafür von Susanne Buckenlei – eine besondere Herausforderung, denn der 39-Jährige konnte nach einer längeren krankheitsbedingten Pause mit Pfeifferschem Drüsenfieber nur sehr behutsam wieder ins Training einsteigen und die gesundheitliche Stabilisierung stand zunächst im Vordergrund. „Susa hat einfach ein unglaubliches Gespür dafür, was das Heranführen an Belastungen angeht. Selbst aus der Distanz merkt sie durch Gespräche, wann ich vielleicht mal überzockt habe“, berichtet er. Er habe sich nicht bewusst für eine Frau als Coach entschieden, doch die beiden Männer, die vorher die Trainingsplanung übernehmen sollten, „hatten einfach überhaupt kein Verständnis dafür, was diese Krankheit bedeutet“.
Frauen trainieren anders
Sowohl auf der persönlichen als auch auf der rein sportlichen Ebene trainieren Frauen durchaus anders als Männer – auch dann, wenn sie selbst der Coach sind und vielmehr „trainieren lassen“. „Jeder Athlet ist einzigartig. Wie ich jemanden trainiere, hängt deshalb immer von den persönlichen Bedürfnissen ab. Tendenziell absolvieren Männer etwas mehr Grundlageneinheiten und benötigen mehr Regeneration, weil sie mehr Muskelmasse haben. Frauen verkraften dafür etwas mehr Intensitäten“, erklärt Siri Lindley.
Insbesondere wenn es um die Betreuung von Athletinnen geht, kann eine Trainerin zwangsläufig andere Aspekte einfließen lassen. Der wichtigste davon ist die Berücksichtigung des Hormonhaushalts, wie aus den Gesprächen mit den Trainerinnen hervorgeht. „Bei all meinen Athletinnen passe ich das Training an den Menstruationszyklus an“, sagt Laura-Sophie Usinger. Die einzelnen Phasen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit könne man sich zunutze machen und dadurch mehr aus dem Training herausholen. Maßgeblich geprägt wurde dieser Ansatz von Dr. Stacy Sims. Die US-Amerikanerin forscht seit 25 Jahren zur weiblichen Physiologie und möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass Frauen keine kleinen Männer sind und dass der Hormonstatus maßgeblich für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit verantwortlich ist. Yvonne van Vlerken und ihre ehemalige Trainerin Siri Lindley verfolgen ebenfalls diese Methode. „Ich bin persönlich sehr stolz darauf, dass alle meine Mädels mittlerweile gesund sind und sich deutlich verbessert haben“, sagt van Vlerken. Sie selbst hatte in ihrer Karriere oft einen gestörten Zyklus und will ihre Athletinnen mit einem offenen Umgang davor bewahren. Susa Buckenlei betont, dass einige Sportlerinnen sich genau aus diesem Grund an eine Trainerin wenden würden. „Bei Frauen kann ich gut nachempfinden, wie sie sich fühlen, und kann das dann mit meinen eigenen Erfahrungen als Sportlerin vergleichen“, sagt sie.
Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob ein Coach männlich oder weiblich ist, sondern auf fachliche Kompetenz, Einfühlungsvermögen und ein angepasstes Belastungsmanagement. In erster Linie muss die Chemie zwischen Coach und Athlet stimmen, um eine stabile Vertrauensbasis zu schaffen. Ob in Zukunft mehr Trainerinnen den Weg in den Triathlon finden, bleibt abzuwarten. Eine Bereicherung sind sie auf jeden Fall.