Ein paar Tage ist „mein“ Swissman nun schon Vergangenheit und ich möchte euch ein wenig über meine Gefühle und den weiteren Verlauf meines Gesundungsprozesses erzählen. Dazu verrate ich euch gleich mal vorab, dass ich mich selbst zu der Sorte Mensch zähle, die ich als „Schubladen-Mensch“ bezeichne. Sprich: Wenn es ein Thema gibt, das mich belastet oder traurig stimmt, dann versuche ich es gedanklich in eine Schublade zu packen.
Diese Schublade schiebe ich direkt zu, um mich weitestgehend von der Thematik zu befreien. Natürlich klappt es nicht immer zu hundert Prozent, aber es lässt mich doch ein wenig Abstand zu der Sache gewinnen. Dann warte ich ein Weilchen ab und höre vorsichtig in mich rein, ob es Zeit ist, die Schublade vielleicht wieder minimal zu öffnen. Ich warte, was das mit mir macht, und entweder ziehe ich sie dann ganz auf (weil ich zurechtkomme) oder ich stoße sie ganz schnell wieder zu (weil es mich noch zu stark bedrückt).
Schweizer Schublade
Eine Woche habe ich gebraucht, um die Swissman-Schublade zu öffnen und damit umzugehen, dass ich eben nicht am Start stehen konnte. Die größte Hilfe ist die Hoffnung (und die stirbt ja bekanntlich zuletzt), dass ich 2023 dort am Start stehen darf. Für mich ist es total wichtig, ein Ziel zu haben, um strukturiert zu trainieren. Mir hat der Swissman seit letztem September immens geholfen, wieder vollends ins Training zu finden und Spaß an allen drei Disziplinen zu haben. Ich merke, dass allein der Gedanke, es könnte dann in einem Jahr klappen, mir jetzt schon hilft wieder loszulegen und zurückzufinden entsprechend Form aufzubauen.
Gleichzeitig verschafft es mir die Lockerheit, genügend Geduld zu haben und nichts zu übertreiben, weil ich ja schließlich und immerhin ein komplettes Jahr Zeit habe. Ich stresse mich nicht und ich trainiere nur, was wirklich gut geht und worauf ich Lust habe.
Aber jetzt erst mal von vorn: Ich war bei den eingehenden Untersuchungen für Lungen- und Herzfunktion, die zwar ohne Krankheitsbefund ausgefallen sind, mir aber die Erkenntnis erbracht haben, mit Post-Covid-Fatigue umgehen zu müssen. Ganz klar geht es hier nicht um Long-Covid-Prozesse, sondern um die Symptome und die Müdigkeit, die sich durch die Krankheit wie ein Kaugummi mitziehen und für die keine richtige Erklärung gefunden werden kann. Und niemand kann vorhersehen, wie lange der Zirkus dauert.
Schlapp mit Schmerzen
Mein Verlauf war zuerst noch üblich. Ich hatte zehn Tage Erkältungssymptome mit Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen und Schlappheit. Dann dachte ich, über den Berg zu sein. Und schon kamen weitere zehn Tage mit einer fetten Bronchitis und einer Art Geschmacksverirrung (ich habe nur modrig geschmeckt). Im Anschluss folgte eben diese Müdigkeit. Alles in allem hat sich das acht Wochen ziemlich intensiv hingezogen und dann konnte ich wieder meine ersten Laufschritte wagen.
Dafür bin ich aufs Laufband gegangen, um stets die Option zu haben, abzusteigen. Es lief sich mega zäh. Drei Minuten konnte ich in einer Geschwindigkeit von acht km/h traben, dann musste ich eine Gehpause einlegen, so müde, kaputt und schlapp war ich. Aber irgendwie dachte ich mir, von nichts wird es auch nicht besser. Also bin ich immer wieder im Abstand von zwei bis drei Tagen auf ebendieses Laufband gestiegen und bin erst für 10 Minuten, dann für 15 Minuten und dann für 30 Minuten getrabt. Anfangs mit Gehpausen, die dann aber immer seltener wurden, und die Geschwindigkeit habe ich schon auf neun und dann auf zehn km/h hochnehmen können. Schließlich konnte ich dann meine ersten vorsichtigen Versuche draußen wagen und mittlerweile laufe ich Dauerläufe schon wieder in einer Pace von gut 5:30 Minuten pro Kilometer. Schneller ist sehr mühsam, aber ich bin mir sicher, dass ich auch das bald wieder hinbekomme. Wie gesagt: Ich habe ja ein Jahr Zeit!
Mit dem Schwimmeinstieg habe ich auch lang gewartet. Ich bin dann ab dem Moment, als der Wörthersee schön warm war, in die Fluten gesprungen, und auch hier habe ich mit 20 Minuten lockerem Schwimmen begonnen. Interessanterweise hatte ich vorrangig Probleme mit der Wasserlage, weil meine Arme so schlapp waren, dass ich einfach nicht vorangekommen bin. Die längste Einheit seit diesen Tagen war jetzt eine Stunde lang. Ich brauche ungefähr zwei Minuten für 100 Meter. Aber im Moment macht es mir einfach Spaß, im herrlichen Wörthersee zu paddeln und die Aussicht auf den Pyramidenkogel zu genießen. Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder schwimmen kann.
Mein Athletiktraining, das ich über Zoom anbiete, habe ich durchweg durchgezogen. Es war wohl merklich, dass die Programme in der Zeit ein wenig abgeschwächt wurden. Aber insgesamt haben mir die Einheiten sehr geholfen, die Stabilität zu behalten. Da bin ich, denke ich, auf meinem alten Niveau zurück.
Rad? Läuft!
Am allerbesten läuft das Radfahren. Irgendwie war das einfach am wenigsten belastend für mich. Wobei ich auch hier sagen muss, dass es anfangs schon wirklich äußerst mühsam war, als ich nach 40 Kilometern mit einem Schnitt von 21,5 km/h zu Hause angekommen bin. Zum Gähnen. Mein Mann hat versucht, mir das schönzureden: Es seien ja schließlich auch ein paar Höhenmeter dabei! Aber was soll ich sagen, meine Hausrunden kenne ich und weiß, was ich sonst fahre. Sehr lieb gemeint von ihm, aber trotzdem einfach zäh.
Er bereitet sich gerade auf den Ironman Kopenhagen vor und ist so ein wenig auch meine Motivation. Im November 2020 benötigte er eine Operation an der Halswirbelsäule und dachte noch bis letzten September, nie mehr laufen und Zeitfahrrad fahren zu können. Wir haben dann den Startplatz seit 2020 für den Ironman Kopenhagen verschoben und verschoben und nun wäre 2022 die Option. Die Entscheidung war schwer: ganz absagen oder versuchen. Unsere Meinung war dann: Der Weg ist das Ziel, lass uns versuchen, alles ganz langsam aufzubauen. Wir haben auch hier mit zehn Minuten Laufen und Gehen im Wechsel auf dem Laufband begonnen und mittlerweile läuft er schon wieder zwei Stunden am Stück. Er fährt wieder ziemlich stark Rad und ich bin so froh, dass es ihm wieder so gut geht. Vor allem sehe ich, was alles möglich ist, wenn man mit Disziplin, Struktur und Geduld an die Sache ran geht und sich langsam steigert. Mir hat es sehr, sehr, sehr geholfen, denn mein neues Teilziel war es, wieder seine Trainingspartnerin sein zu können. Anfangs habe ich kläglich versucht, bei kurzen lockeren Touren in seinem Windschatten mitzufahren und hab es nur mit Mühe und Not geschafft.
Immer und immer wieder, habe ich mich aufs Rad gesetzt, auf den Körper gehorcht, nachgegeben, wenn er sich überfordert gefühlt hat (der Körper, nicht der Tom …), bin locker gefahren und habe versucht, die Geduld aufzubringen, kurz und langsam zu fahren. Und nun stellt euch vor: Letzten Dienstag habe ich Tom sogar schon wieder auf einer 180 Kilometer langen Trainingsausfahrt begleiten können. Ich denke, dass ich auf dem Rad schon wieder eine ziemlich gute Form habe.
Alte Erfahrungen als neue Herausforderungen
Ein nächstes Teilziel musste gefunden werden: Mitte August möchte ich ein drittes Mal den Stoneman in den Dolomiten fahren, ein Event, bei dem man den Zeitpunkt selbst auswählen kann, und dann 192 Kilometer mit knapp 5.000 Höhenmetern radelt. Ich habe diese Tour in den beiden letzten Jahren gemacht und möchte das gern auch dieses Jahr angehen. Obwohl ich weiß, was auf mich zukommt … Vielleicht schaffe ich es auch, im Oktober fit genug zu sein, um wieder den Istria300 zu fahren. Und wenn es am Ende die kürzere Distanz wird, freue ich mich auch!
Was ich euch aber unbedingt noch erzählen möchte: Es gibt ja nichts Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes hat! Ich hatte euch ja berichtet, dass ich in der Bredouille bin, weil der sechste Geburtstag unserer kleinen Julia am Swissman-Renntag war und ich diese Art von Mama bin, die solche Feiern gern zelebriert. Ich war wirklich ratlos, wie ich das trotz Wettkampf gestalten sollte. Wir haben Julia dann erklärt, dass es etwas ganz Besonderes für sie gibt, nämlich dass sie auf dem Berg (Kleine Scheidegg) feiern dürfe. Freudig hat sie dies angenommen und stellt euch nur vor: Als wir veröffentlicht haben, dass ich krank bin und wir nicht auf dem Berg feiern werden, sondern eine Fetzen-Sause im Garten machen können, war sie schier enttäuscht, dass wir den Berg jetzt gar nicht machen. Aber am Schluss war es dann wirklich ein toller Geburtstag mit Schnitzeljagd, Gartenparty bei bestem Wetter, Wasserbomben, Topfschlagen und Würstelfangen. Den Berg habe ich ihr dann gleich am nächsten Tag noch gegönnt. Da sind wir auf die Gerlitzen hochgefahren, gewandert und in den Fun Park gegangen. Und so hatte sie an ihrem Geburtstag die Party mit den Kindergarten-Kameraden und am Sonntag auch noch einen Berg. Wenn auch nicht die kleine Scheidegg – die reiche ich dann hoffentlich nächstes Jahr nach!
Im Moment bin ich guter Dinge. Mit Teilzielen und einem Hauptziel vor Augen möchte ich euch noch mit auf den Weg geben, was mein Rezept war, um wieder gut gelaunt und einigermaßen fit zu sein: Ich habe stets auf den Körper gehört, ich denke, ich hatte genügend Geduld. Ich habe alles an Stress weggenommen, was trainingsbedingt gewesen wäre, und ich habe mich auf weitere langfristige Ziele konzentriert. Ich habe versucht, die Dinge positiv zu sehen und mich daran zu erfreuen, dass ich jetzt noch ein Jahr lang ein tolles Ziel habe. Dass Julia einen schönen Geburtstag haben wird, dass es vorwärtsgeht und ich nicht wie andere eineinhalb Jahre mit den Nachwirkungen der Krankheit zu tun habe. Ich habe hoch dosiert Vitamin C, Zink und B-Vitamine genommen, ich habe versucht, gut zu essen und genug zu schlafen. Über dies hinaus habe ich die Zeit genutzt, mich ein wenig auf mein Business zu konzentrieren und mich dran gemacht, an meiner Webseite zu arbeiten. Die ist leider noch in der Mache, aber sobald alles fertig ist, werde ich euch das natürlich wissen lassen! Jetzt blicke ich positiv nach vorn und möchte mich für eure guten Wünsche und die vielen wertvollen Tipps bedanken, die mir tatsächlich alle sehr geholfen haben. Und ich werde euch weiterhin auf dem Laufenden halten.