Im Zusammenschluss der Challenge Florianopolis und der Professional Triathletes Organisation (PTO) soll vom 26. bis 29. November die Mitteldistanz im Süden Brasiliens in Florianopolis stattfinden. Ziel der Veranstalter sei es, „Profi- und Amateursportlern ein in Südamerika einzigartiges Ereignis zu bieten, das den brasilianischen Triathlon auf globaler Ebene stärken soll“, wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung heißt. Für die Profiathleten soll es insgesamt ein Preisgeld in Höhe von 60.000 US-Dollar geben. Darüber hinaus gebe es auch Unterhaltungs- und Freizeitmöglichkeiten für die ganze Familie, die ein Merkmal der Veranstaltungen der Challenge-Family seien.
In Zeiten, in denen weltweit nach wie vor täglich Wettkämpfe aufgrund des Coronavirus abgesagt oder in das Folgejahr verschoben werden, wagen Challenge-Family und PTO die Ankündigung eines Triathlon-Wochenend-Events in dem Staat, der mittlerweile zu einem der Corona-Hotspots weltweit geworden ist. Mit 802.828 bestätigten Fällen (Stand: 12. Juni) – ein Plus von 27.000 bestätigten Infektionen im Vergleich zum Vortag – belegt Brasilien Platz zwei in der Statistik der Johns Hopkins University. Nur die USA mit mehr als zwei Millionen gemeldeten Infizierten hat mehr Coronafälle bestätigt. Auch in der Statistik der Covid-19-Toten ist Brasilien weit oben vertreten. Am 12. Juni verzeichnete die Johns Hopkins University 40.919 Tote. Mehr haben lediglich Großbritannien (41.364) und die USA (113.820) gemeldet. Vielen Medienberichten zufolge ist in Brasilien zudem mit einer extrem hohen Dunkelziffer zu rechnen. Diese statistischen Grundlagen lassen Triathlonwettkämpfe mit mehr als 1.000 Athleten in Brasilien in den kommenden Monaten erst einmal komplett unrealistisch wirken – zumindest durch die europäische Brille betrachtet.
Starke Unterschiede zwischen Norden und Süden
Thomas Vonach, ausgewanderter Österreicher, der seit fünf Jahren in Brasilien wohnt, sieht durchaus größere Chancen auf einen Triathlonherbst in seiner Wahlheimat. „Die Leute verstehen manchmal nicht, wie riesig Brasilien ist. Das ist genauso, wie wenn in Spanien die Hölle los ist und in Deutschland die Lage bereits wieder entspannter ist“, sagt der 48-Jährige, der vor Ort den Vertrieb für Lateinamerika eines amerikanischen Neoprenanzugherstellers betreut. Zudem besitzt der gebürtige Vorarlberger einen Onlineshop für Schwimmbekleidung. Wichtig sei bei der Betrachtung der aktuellen Zahlen das extreme Gefälle zwischen dem Norden und dem Süden. Vonach wohnt mit seiner Frau und seinem neunjährigen Sohn nur einen Fußmarsch entfernt vom Schwimmstart des Ironman Florianopolis im Bundesstaat Santa Catarina. „Hier in der Region haben wir es geschafft, die Sache relativ schnell in den Griff zu bekommen“, sagt er. Zurzeit verzeichnet die Gesundheitsbehörde des Landes im zweitsüdlichsten Staat knapp 13.000 Corona-Infizierte und 186 Menschen, die in der Region an Covid-19 gestorben sind. Mit mehr als 6,5 Millionen Einwohnern habe der Bundesstaat nahezu so viele Einwohner wie sein Heimatland Österreich, so Vonachs Vergleich. „Brandherde“ des Landes sind der Statistik der Gesundheitsbehörde zufolge vor allem die Bundesstaaten im Norden und Nordosten Brasiliens sowie Rio de Janeiro und Sao Paulo.
Der Bundesstaat Santa Catarina sei im Gegensatz zu vielen nördlichen Bundesstaaten von vielen europäischen Einflüssen geprägt und deutlich moderner, so Vonach. „Hier gibt es Universitäten und hochmoderne Industrie sowie Software- und Technologiefirmen.“ Ähnlich wie in Deutschland sei die Region Mitte März in den Lockdown gegangen und das öffentliche Leben komplett zum Erliegen gekommen. Öffentliche Verkehrsmittel und auch Banken seien bis heute nicht wieder geöffnet worden, berichtet Vonach. „Wir sind in der Entwicklung etwas hinter Europa, aber irgendwann muss auch hier der Umschwung kommen“, sagt der 13-fache Hawaii-Finisher.
Ironman plant mit vier Wettkämpfen in Brasilien in 2020
Neben des geplanten Rennens in Florianopolis von Challenge und PTO seien auch die Planungen des Konkurrenten Ironman für weitere Wettkämpfe in 2020 mittlerweile konkreter, wie Vonach von Caco Raabe, Chef der Ironman-Expos in Brasilien, erfahren habe. So soll am 6. September eine Mitteldistanz in Sao Paulo über die Bühne gehen, am 27. September der Ironman 70.3 Florianopolis ausgetragen werden, ehe vor Ort sechs Wochen später am 8. November der Ironman Brazil stattfinden soll. Am 22. November sei zudem im Nordosten des Landes, einem der derzeitigen nationalen Brennpunkte der Corona-Pandemie, die Austragung des Ironman 70.3 Fortaleza geplant.
Wie realistisch eine Austragung dieser Wettkämpfe gegen Ende des Jahres wirklich ist, sei im Juni noch schwer absehbar, so Vonach. Dennoch: „Wenn wir in fünf Monaten noch nicht so weit sind, dann haben wir viel größere Probleme als einen Triathlon zu organisieren“, sagt er mit Blick auf den geplanten Wettkampf von Challenge und PTO in Florianopolis. Im Falle einer Austragung der Challenge- und Ironman-Rennen gehe er jedoch davon aus, dass dort hauptsächlich Athleten aus Brasilien und vielleicht eine Handvoll Sportler aus den Nachbarländern an den Start gingen.
„Für die Profis eines der wichtigsten Rennen Südamerikas“
Diese Prognose würde auch Zibi Szlufcik, Präsident der Challenge-Family, unterschreiben. „Im Prinzip ist der Wettkampf offen für alle. Dennoch ist es nicht absehbar, welche Bestimmungen im November vor Ort noch gelten werden“, sagt Szlufcik über die Austragung der Challenge Florianopolis. In Absprache mit den städtischen Behörden gehe man davon aus, dass der Wettkampf mit Auflagen möglich sei. In der Regel würden bei Rennen der Challenge-Family in Brasilien wie in Florianopolis zwischen 1.200 und 1.500 Agegrouper sowie zwischen 30 und 50 Profiathleten an den Start gehen, so Szlufciks Schätzung. „Mit dem Preisgeld wird es sicherlich zum wichtigsten Rennen des Jahres in Südamerika“, sagt er. Zusammen mit der PTO versuche die Challenge-Family die Profis so gut es gehe zu unterstützen. Weltweit plane Challenge zurzeit mit zwölf bis 14 Rennen, die im aktuellen Jahr noch stattfinden könnten. „Normale Rennen, wie wir sie bisher gekannt haben, werden das sicherlich nicht“, sagt Szlufcik.