Spätestens um den Jahreswechsel macht man sich als Triathlet Gedanken zum Thema Trainingslager, vielleicht ist das Camp sogar schon gebucht. Wohin soll es gehen, wie viel Zeit kann ich für mich ein Camp aufbringen und will ich überhaupt weg? Unter anderem diese Fragen muss man für sich beantworten. Lange Radausfahrten in kurz/kurz, ein kompletter Service im Hotel und das Urlaubsgefühl sind sicher nur ein paar Annehmlichkeiten, die ein Trainingscamp in der Sonne bietet. Doch gerade über die Feiertage sowie die Zeit „zwischen den Jahren“ lässt sich ein Trainingslager, wenn ihr es denn so nennen wollt, ganz wunderbar zu Hause realisieren. Hier erfahrt ihr, worauf es ankommt.
Warum das Ganze?
Betrachten wir das Trainingslager einmal nicht emotional, sondern konzentrieren uns auf das, worauf es wirklich ankommt. Sommer, Sonne und Strand sind selbstverständlich ein nettes „Beiwerk“, das nicht unerheblich die Motivation steigern kann. Doch deshalb absolviert ihr kein Trainingslager – in erster Linie wollt ihr eurer Leistungsfähigkeit einen ordentlichen Schub verpassen und von einem höheren Niveau in die weitere Trainingsplanung starten. „Für gewisse physiologische Anpassungen ist ein erhöhter Umfang natürlich auf jeden Fall vorteilhaft. Die Belastung kann aber durchaus entzerrt und dafür mit gezielten Intensitäten aufgewertet werden“, erklärt Coach Björn Geesmann. Diese Intensitäten seien beim „Sommer-Trainingslager“ oft gar nicht mehr möglich. „Besonders gegen Ende eines solchen Camps leidet die Trainingsqualität enorm, wenn der Umfang zu extrem gesteigert wurde.“ Das gesamte Setting eines typischen Camps regt natürlich dazu an, viel zu trainieren. Wer allerdings im Trainingslager jede mögliche Einheit mitnimmt und auf einmal das Dreifache des gewohnten Umfangs absolviert, tut sich damit keinen Gefallen. Die gezielte Steuerung ist zu Hause hervorragend möglich. Ihr könnt sicher sein, dass ihr euch in eurem persönlichen Trainingsbereich aufhaltet und euch weder über- noch unterfordert. Stellt euch darauf ein, dass ihr während eures Trainingslagers zu Hause deutlich mehr trainieren werdet als im Alltag, jedoch etwas weniger als bei der klassischen Version. Etwa das Eineinhalb- bis Zweifache des Umfangs darf es sein, mehr ist nicht nötig – und das bei einer insgesamt kürzeren Campdauer. Aber dazu später mehr.
Ready for Take-off
Eine entscheidende Rolle bei der Durchführung eines Trainingslagers spielt der Zeitpunkt. An dieser Stelle wollen wir euch insbesondere auf die bevorstehende Zeit vor dem Jahreswechsel vorbereiten, die bei dem einen oder der anderen vielleicht mit einer Auszeit vom Job verbunden ist. Sämtliche verlängerte Wochenenden oder Feiertage sind natürlich ebenso gut geeignet. Damit ihr dem Alltag ein Stück weit entfliehen könnt, ist die Vorbereitung zu Hause das A und O. Sorgt dafür, dass nicht nur ihr selbst, sondern auch die Umgebung und das Material startklar sind. Zwei bis drei Tage vor dem Camp sollte das Training betont locker ausfallen: Bewegung ja, aber keine Intensitäten. Die dadurch gewonnene Zeit könnt ihr nutzen, um eure Wohnung in ein Hotel zu verwandeln. Ihr sollt natürlich keine Servicekräfte engagieren, eine klare Absprache mit Familienmitgliedern ist allerdings sehr sinnvoll, um Missverständnisse, Enttäuschungen und Konflikte zu vermeiden. Macht euch einen groben Plan, was ihr in den kommenden Tagen essen wollt, und kauft nach Möglichkeit alles ein, was ihr dafür benötigt. Die Premium-Variante wäre, sämtliche Mahlzeiten bereits vorzukochen und sie bei Bedarf nur noch aus dem Kühlschrank beziehungsweise dem Tiefkühlfach zu holen. Ihr werdet euch darüber freuen, wenn zwischen zwei Einheiten der Gang zum Supermarkt wegfällt – zumal mit knurrendem Magen selten kluge Entscheidungen getroffen werden. Das Wichtigste bei einem heimischen Trainingslager: Ihr solltet euch wirklich eine Auszeit nehmen und es vermeiden, das Training in den normalen Alltag zu integrieren. Björn Geesmann ist sich sicher: „Wer zusätzlich zum achtstündigen Arbeitstag noch vier bis fünf Stunden trainieren will, wird spätestens am zweiten Tag die Segel streichen – das klappt auf keinen Fall.“
Richtig campen
Vor dieser Herausforderung steht ihr übrigens nicht allein. Auch der eine oder andere Profi baut regelmäßig Trainingsblöcke ein, die von der normalen Struktur abweichen und in gewohnter Umgebung absolviert werden. „Grundsätzlich kann man zu Hause genauso gut trainieren – man muss nur die Einstellung dazu ändern“, sagt Profitriathletin Anne Reischmann. „Dem Training sollte man dann die höchste Priorität geben und sich nicht von Alltagsbelastungen ablenken lassen.“ Während eines normalen Trainingslagers würdet ihr auch nicht nebenbei die Steuererklärung machen oder einen aufgeschobenen Zahnarzttermin wahrnehmen. Also tut ihr das beim Camp zu Hause ebenfalls nicht. Solche Ereignisse verursachen nur Stress, der in diesem Moment unnötig ist und sich dadurch negativ auf die Regeneration auswirkt. Auf diese solltet ihr jedoch einen besonders großen Wert legen. „Im Alltag bleibt die Erholung aus Zeitgründen bei vielen Agegroupern häufig auf der Strecke“, weiß Björn Geesmann. „Besonders bei den hohen Belastungen eines Trainingslagers ist sie aber mindestens so wichtig wie die Einheiten selbst. Man sollte deshalb unbedingt auch dafür gezielt Zeit einplanen.“
Ein Punkt, der einfach umzusetzen sein sollte, ist der Schlaf. Gönnt euch davon nachts mindestens acht Stunden, besser neun oder zehn sowie mittags ein Nickerchen, um zwischen zwei Einheiten wieder frisch und munter zu werden. Regelmäßige Termine beim Physiotherapeuten eures Vertrauens sind ebenfalls ratsam.
Erholung bedeutet jedoch nicht, dass ihr in den Tag hinein lebt – ihr seid schließlich nicht im Urlaub, sondern im Trainingslager. Schafft euch Routinen und setzt euch dafür feste Termine. Jeden Morgen eine Runde Yoga, ein kurzer Auftaktlauf oder Muskelpflege mit der Faszienrolle – es ist euer Trainingslager, alles ist erlaubt. Setzt euch kleine Highlights, auf die ihr euch freuen könnt und die das Training im Vergleich zur gewohnten Struktur aufwerten. Probiert doch mal eine neue Route aus oder fahrt mit dem Rad eine weitere Strecke von A nach B – sofern die Wetterbedingungen es zulassen. „Wer ausschließlich auf der Rolle trainiert, muss das nicht fünf Stunden am Stück tun. Mit ein paar eingestreuten G2-Intervallen sind auch drei Stunden völlig ausreichend.“ Anne Reischmann hat noch einen Tipp: „Ich teile eine lange Rolleneinheit gern auf und fahre dann beispielsweise morgens und mittags jeweils zwei Stunden. Das ist mental sehr hilfreich.“ Die Motivation kommt im klassischen Trainingslager schon durch die Umgebung von ganz allein. Doch ihr könnt auch selbst dafür sorgen. Nutzt das private Trainingslager dazu, euch einmal wie ein Profisportler zu fühlen und euch auch so zu verhalten. Das mag etwas übertrieben klingen, doch eigentlich ist es genau das, was ein Camp ausmacht. Trainieren, essen, schlafen – mehr gibt es nicht zu tun.