Dienstag, 18. November 2025

60 Langdistanzen in 60 Tagen: Josefine Rutkowski freut sich auf eine „Achterbahnfahrt der Gefühle“

Nicht weniger als die Verdoppelung eines Weltrekords hat sich Josefine Rutkowski als Ziel gesetzt. 60 Langdistanzen will die 35-Jährige in 60 Tagen absolvieren. Im Gespräch mit tri-mag.de erklärt sie ihre Motivation und spricht über Herausforderungen und ihr neues Leben als Abenteurerin.

Privat Nach 140 Kilometern auf dem Rad die Langeweile bekämpfen: Josefine Rutkowski hat genaue Vorstellungen, was sie bei ihren 60 Langdistanzen in 60 Tagen erwartet.

Josefine, 60 Langdistanzen in 60 Tagen – damit würdest du den bisherigen Weltrekord der Österreicherin Alexandra Meixner aus dem Jahr 2023 verdoppeln. Das ist mal eine Ansage. Die Frage, die über allem schwebt: Warum machst du das?

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Ich bin einfach neugierig, was mein Körper aushalten kann, wie er diese Belastung wegsteckt, wie ich selbst damit umgehe, physisch und mental. Ich möchte mutig sein und habe auch meine innere Stimme gehört, die gesagt hat: „Probiere das mal.“ Wir alle haben tief in unserem Inneren den Antrieb, aus der Komfortzone hinauszukommen. Insofern mache ich dieses Projekt nur für mich. Wenn man etwas nur für sich macht, hat man letztlich die Chance, auch andere mitzureißen. Ich muss aber klar herausstellen: Ich will nicht die Schnellste auf den 60 Langdistanzen sein. Auch, wenn ich das Projekt für mich mache: Es geht mir eher um ein Gemeinschaftsgefühl, denn ohne mein Team könnte ich dieses Vorhaben gar nicht für mich umsetzen.

Kannst du dich im Vorfeld eines solchen Projekts auf etwas freuen, oder ist der Respekt so groß, dass eher Anspannung herrscht?

Ich freue mich darauf, dass ich mich austoben kann, wie es mir gefällt. Ich komme ja von der Langdistanz im Triathlon. Ich muss sagen: Nach Wettkämpfen war ich immer fit, nie kaputt. Jedenfalls nicht über ein normales Maß hinaus. Ich freue mich, dass ich jeden Tag das machen kann, was mir Spaß bereitet. Aber ich verschließe nicht die Augen davor, dass es auch hart werden wird. Ich weiß, dass es Tage geben wird Tage, an denen ich mich frage: „Warum tust du das?“ Ich freue mich auf diese Achterbahnfahrt der Gefühle – und dass ich den Mut habe, etwas zu machen, worauf ich Bock habe. Obwohl andere fragen, warum ich das mache. Ich kann es gut als ehrliche, kindliche Freude beschreiben.

Privat Große Stärke: Josefine Rutkowski kommt aus dem Laufsport und findet sich in der dritten Disziplin spielend zurecht.

Bei der Vorstellung deines Projekts kam vielen unweigerlich Jonas Deichmann in den Sinn, der mit 120 Langdistanzen in 120 Tagen einen neuen Weltrekord bei den Männern aufgestellt hat. Während er durch seinen Triathlon um die Welt und andere Rekordprojekte schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt war, bist du ein eher unbeschriebenes Blatt. Du darfst dich unseren Lesern aber gern vorstellen: Wer ist Josefine Rutkowski?

Da erwischst du mich aber kalt in diesem Moment. (lacht) Ich bin ein Mensch, der Struktur und Ordnung mag. Wenn also täglich das Murmeltier grüßt, ist das für mich nicht so schlimm. Ich bin aber auch mutig und gehe gern Wege, die andere nicht gehen. Ich komme vom Laufen, von der 800-Meter-Strecke. Ich hatte aber keinen Mut, auf die Sportschule zu gehen, ins Internat, weil ich zu heimatverbunden war. Ich habe mich stattdessen dazu entschieden, Lehrerin zu werden. Und ich habe diesen Beruf gern ausgeübt. Aber jetzt habe ich ein neues Kapitel aufgeschlagen – und es gibt kein Zurück. Ich liebe Freiheit, das System hat mich eingeengt, ich konnte mich nie entfalten. Trotzdem: In irgendeiner Art und Weise werde ich die Arbeit mit Schülern weitermachen. Alle Wege, die ich gegangen bin, bin ich gern gegangen. Ich bin auch gern Triathletin, habe es genossen, Hawaii zu erleben, war in Hamburg schon Erste aller Agegroup-Frauen und Zweite und Dritte bei der EM in Frankfurt. Ich traue mir die 60 Langdistanzen in 60 Tagen zu. Das ist ein persönliches Ding. Wir Frauen können das schaffen, was Männer können. Wenn wir immer nur im Bereich der 30 Langdistanzen in 30 Tagen rumdümpeln, dann kommen wir doch nicht entscheidend weiter. Das wären zu kleine Schritte. Jonas (Deichmann, Anm. d. Red.) hat 120 geschafft. Die Hälfte davon klingt doch schon mal besser als 40, oder? Wenn ich 60 sage, haben andere Frauen vielleicht den Mut, die 80 zu machen, dann vielleicht 100. Dieser Optimismus ist das, was ich transportieren möchte.

Worin siehst du denn die größten Herausforderungen bei dem Projekt?

Ganz klar: Der weibliche Zyklus spielt eine essenzielle Rolle. Bei Jonas war jeder Tag quasi gleich, auch von der Verpflegung her. Aber ich kann nicht alle 20 Minuten essen. Beispielsweise esse ich in der ersten Zyklusphase weniger, in der zweiten mehr. Das muss ich alles individuell und gegebenenfalls spontan anpassen. Hinzu kommt, dass es sehr heiß werden dürfte rund um Speyer in der Zeit. Die Verpflegung wird also eher in flüssiger Form stattfinden, da ich dann weniger Hunger und mehr Durst haben dürfte. Wie ich mich ernähren werde, ist auf jeden Fall eine spannende Kiste. Apropos Zyklus: Danach richtet sich auch, was ich imstande bin zu leisten. Meine Leistungsfähigkeit ist in der ersten Zyklusphase höher als in der zweiten. In dieser Phase muss ich mental viel arbeiten – aber ich habe meine Stiefmama als Mentalcoach dabei. Ich schaue daher gar nicht auf Worst-Case-Szenarien, sondern ich denke in Good-Case-Szenarien. Ich weiß, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, reagieren alle in meinem Team entsprechend.

Wie sieht denn dein Betreuerstab aus?

Ähnlich groß wie bei Jonas bei seiner Challenge 120. Markus Killinger bereitet den Content auf und macht die Begleitung beim Radeln. Tobias Rop ist der Streckenchef, mein Papa und seine Frau Elisabeth sind für die alltäglichen Dinge zuständig, etwa Wäsche waschen oder Essen kochen abends. Jonas macht die PR, ich habe zusätzlich Physiotherapeuten, aber noch keinen festen Arzt. Trotzdem gibt es einen Sportmediziner dort in der Nähe, dem ich vertraue. Das ist logistisch perfekt.

Du hast deinen Streckenchef Tobias Rop angesprochen. Wie habt ihr die Strecke für die Langdistanz geplant?

Tobi wohnt dort und ist ein guter Freund von uns. Wir besuchen ihn oft und wussten schon, dass die Gegend dort gut zu so einem Projekt passen würde. Es war wichtig, jemanden zu haben, der dort lebt und die Strecken kennt, der die Logistik richtig organisieren und einschätzen kann. Wir sind die Strecke abgefahren. Die passt wunderbar. Unser Ferienhaus ist in Dudenhofen, nicht weit entfernt ist der Binsfeldsee bei Speyer, in dem ich täglich vier Runden schwimmen werde. Der Bikestart ist ebenfalls am Binsfeldsee, dann geht es ab auf den Rheindamm von Otterstadt nach Altrip, wo ich einen Wendepunkt habe. Zurück durch Speyer auf den Radweg Richtung Schwegenheim, von dort nach Westheim, Bellheim, Zeiskam, Lustadt, Weingarten. Dann fahre ich zurück nach Schwegenheim, anschließend geht es nach Harthausen und Dudenhofen, wo ich eine kurze Mittagspause einlegen werde. Über Schifferstadt, Rinkenbergerhof und Otterstadt geht es zurück zum Binsfeldsee. Insgesamt fahre und laufe ich zwei Runden. Der Marathon führt je Runde durch Dudenhofen, Hanhofen, durch den Wald zurück nach Dudenhofen und von dort aus nach Speyer und wieder zurück nach Dudenhofen.

Inwiefern ist Begleitung bei deinem Projekt willkommen und erlaubt?

Ich regel das ein wenig anders als Jonas. Wir hatten erst überlegt, das Projekt offiziell anzumelden, haben uns aber dagegen entschieden. Beim Schwimmen und Laufen juckt es niemanden, wenn ich Begleitung habe. Daher würde ich mich sehr darüber freuen. Beim Radfahren sieht das anders aus. Der Rheindamm ist ein Radweg, da kann mir niemand verbieten, dort jeden Tag entlangzufahren. Aber ich mache das allein, ohne Begleitung, weil viele Stellen einfach zu schmal für eine größere Radgruppe sind. Bei Jonas durfte ich erleben, was hinten raus los war, wenn sich Leute nicht an Absprachen gehalten haben. Ich muss aber den Fokus und die Energie bei mir behalten. Ich würde mich immer wieder umschauen, um zu gucken, was hinter mir los ist. Das geht nicht. Ich möchte die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Ich kann natürlich niemandem verbieten, auf öffentlichen Straßen zu fahren. Aber ich kann mich schon jetzt davon distanzieren.

Privat Auch Jonas Deichmann, Weltrekordhalter mit 120 Langdistanzen in 120 Tagen, gehört zum Betreuerstab von Josefine Rutkowski.

Wenn du an das Projekt denkst: Wo siehst du deine Stärken und wo liegen deine Schwächen?

Dass ich laufe wie ein Uhrwerk, ist eine meiner Stärken. Wenn ich mir Zeiten vornehme, kann ich die wiederholen – egal, wie es mir geht. Ich kann mir mental gut zureden und jeden Zustand akzeptieren. Ich komme schnell aus emotionalen Tiefs heraus. Und natürlich ist Ausdauer meine Stärke. Das Tempo, das ich jetzt anpeile, kann ich halten. Während ich das Laufen als absolute Stärke sehe, kann es beim Radfahren ab 140 Kilometern vorkommen, dass ich mich langweile. Ich kann da dann nicht rumträumen wie beim Laufen, sondern muss fokussiert sein. Es geht also weniger um die körperliche Herausforderung, sondern um die mentale. Ich habe das schon beim Training berücksichtigt und die große Hoffnung, dass ich gut vorgebeugt habe.

60 Langdistanzen in 60 Tagen – da kann viel passieren. Gibt es einen Plan B, falls du durch äußere Umstände gestoppt wirst?

Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal in Angriff nehmen würde. In der aktuellen Situation würde ich das weder verneinen noch bejahen.

Josefine Rutkowski startet am 13. Juli ihre bisher größte Triathlonherausforderung. Die Extremsportlerin will mit 60 Langdistanzen in 60 Tagen hintereinander den aktuellen Frauenweltrekord brechen. Am 10. September wird sie dann zum letzten Finish über die Ziellinie laufen.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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