Donnerstag, 12. Dezember 2024

Der gelbe Wahnsinn

Frisch aus Norwegen zurück, möchte ich die Eindrücke meines zweiten Norseman Xtreme Triathlon mit euch teilen. Diesmal kämpfte ich nicht ums weiße oder schwarze Finisher-Shirt, diesmal stand alles im Fokus der gelben Team-B.O.B.-Shirts.

Team B.O.B. Das sind die „Boys On Bike“. Eine Gruppe von Freunden, die sich ursprünglich zusammengefunden hat, um die „Vestfold Rundt“ (Mischung aus Radrennen und RTF) in Norwegen zu bestreiten. Mit den Jahren ist die Gruppe auf über 100 Mitglieder gewachsen. Legendär ist Ihre alljährliche „Le Extreme Tour“, um den Athleten des Norseman Xtreme Triathlon in ihrer Kurve am Zombie-Hill, der „B.O.B. Svingen“, zu huldigen. Die An- und Abreise mit jeweils ungefähr 200 Kilometer findet bei Wind und Wetter mit dem Rennrad statt. Diverse Teammitglieder haben in der Vergangenheit selbst am Norseman teilgenommen und sich dem Abenteuer gestellt. Zu finden sind Sie auch bei Facebook als „Team B.O.B. sykkel

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Rückkehr an den mystischen Ort

Als ich 2019 am Norseman teilnahm, erreichte ich die B.O.B.–Kurve am Ende des Zombie-Hills in einem Delirium, gezeichnet von meinem Kampf um den Cut-Off. Für mich war sie damals nur eine Randnotiz, denn ich war so sehr auf das Erreichen des Cut-Offs fixiert und kämpfte um jeden Schritt. Erst als meine Support-Crew mir im Nachgang an das Rennen die Videos zeigte, realisierte ich die wahnsinnige Show, die dort ablief. Ich jubele auf dem Video sogar zurück, während ich im tiefsten Schmerz die „B.O.B.–Svingen“ durchschreite, bevor ich endlich den erlösenden Cut-Off erreiche. 

2022 war es nun so weit, dass ich Fredrik Hermansens Einladung folgen und an diesen mystischen Ort zurückkehren konnte. Fredrik ist der Team-Captain des Team B.O.B. und hat 2019 mit mir zusammen teilgenommen. Seine Support-Crew hatte einen entscheidenden Anteil daran, dass ich nach meinem frühen Vorderradplatten weitermachen konnte und letztendlich den Gaustatoppen im Sonnenuntergang erreichte. Wir blieben seitdem in Kontakt. Love, Peace and Friendship. Das sind nur drei der Dinge, die den Norseman so besonders machen. 

So kam es also am vergangenen Freitag zur Wiedervereinigung am Fuße des Zombie Hills. Mit dabei war mein sportlicher Leiter von 2019, Guido. Während das Team B.O.B. auf seiner „Extreme Tour“ (später dazu mehr) knapp 200 Kilometer mit dem Rad anreiste, stiegen wir aus dem Bus in ein Begleitfahrzeug um. Wir erreichten die Unterkunft daher früh genug, um ihre Ankunft gebührend vorzubereiten. 

Max Rauer

Was für wilde Hunde! Denn nur wenig später standen wir, mit Bier und Spraydosen bewaffnet, in der Kurve des Team B.O.B. Svingen. Nach der Picasso-Einlage ging es zum gemütlichen Teil des Abends über, der bis drei Uhr morgens andauerte. 2019 stand ich zu dieser Uhrzeit in der Wechselzone zum Check-in – verkehrte Welt. Die Nacht endete abrupt, als jemand die bereits vorbereiteten Presslufthupen im Wohnzimmer um sechs Uhr antestete und uns alle zum „Frühsport“ antreten ließ. 

„Die gelbe Wand ist hergerichtet – Tradition verpflichtet.“

Es herrschte leichter Nieselregen und der Gaustatoppen lag noch im Nebel, zudem gingen kräftige Windböen. Eben Norseman-Wetter von seiner besten Seite. Nach einem kurzen Interview für den Livestream wurde es dann allmählich ernst. Die B.O.B. Svingen wurde zum Leben erweckt. Der Dortmunder würde sagen: „Die gelbe Wand ist hergerichtet – Tradition verpflichtet.“

Mit Glocken, Presslufthupen, einer großen Pauke sowie Musikbox und einem Fahnenmeer wurde der führende Läufer und spätere Sieger Jon Breivold empfangen (übrigens mit grandiosem Streckenrekord).

Immer wieder lief ich den Athleten entgegen, die zu diesem Zeitpunkt noch vereinzelt kamen und begleitete sie in die B.O.B. Svingen. Ein Wahnsinn, wie viele wirklich noch liefen und auch ein paar Worte übrig hatten. Besonders schön war das kurze Intermezzo mit Timo Bracht. Hinter ihm kam Michiel de Wildes Freundin zu mir und wünschte sich, dass ich ihn ebenfalls kurz begleite und pushe. Call him „The Wild One“ und so kam es. „Come on! Get wild, you are the Wild One, go on“. Stunden später kam er mit dem Auto bergab zurück und winkte und hupte uns halb lachend, halb weinend zu. Überhaupt war es unglaublich schön, wie viele Athleten mit ihren Teams später Danke sagten. Vor allem die Support-Teams selbst nahmen den riesigen Spirit der Kurve wahr und hielten die Emotionen in Videos fest. Dass die Athleten sich oft schon in einer anderen Sphäre befinden, kenne ich ja von mir selbst. Besonders emotional war die Ankunft der führenden Frau. „The first lady will arrive soon! She is from Scotland“. Statt Partymusik lief plötzlich Dudelsack-Marschmusik. Ein Gänsehautmoment pur. Ein Heer von TV-Teams, Fotografen und natürlich ihre Crew versammelten sich nach und nach in der Kurve, als es die Runde machte, dass sie sich näherte. Unser Spalier aus Fahnen und ohrenbetäubender Lärm empfingen sie schließlich in der B.O.B. Svingen. 

Extremsport am Streckenrand

Torill Pedersen, meine Race-Direktorin von 2019, die mich aus dem Fjord zog und am Cut-Off in Empfang nahm, kam mit ihren beiden Kindern zu uns. Diese tiefe Verwurzelung vom Team B.O.B. und der Norseman-Crew ist schon besonders. So hautnah an den Menschen hinter dem Rennen zu sein, hat mich gerührt. Es war verdammt schön, sich mit Ihr zu unterhalten und für 2019 zu bedanken. Auch der aktuelle Renndirektor ließ es sich nicht nehmen und kam spät am Abend in unsere Hütte, um mit uns zu essen. Näher dran an dem Menschen hinter dem Mythos geht es wohl nicht. 

Ich entdeckte irgendwann Filomena Gomes auf dem Tracker, mit ihr habe ich mich damals am Ende der Radstrecke und über weite Teile des Laufens gebattelt. Diesmal ging es für sie als 163. zum weißen Finish. Kurze Umarmung am Cut-Off, „Maybe I was stupid to do it again.“ „Come on take White Proud! You got both shirts now!“ Und weiter ging ihre Reise. 

Dem letzten Athleten sind wir sogar mit der Musikbox entgegengewandert, weil die Kontrollzeit gegen ihn lief. Im Sonnenuntergang vor der Kulisse des Gaustatoppen – wieder ein Moment zum Tränen verdrücken.

Neben den Ohrenschmerzen vom Lärm taten mir irgendwann die Hände vom vielen Klatschen weh, auch die Handgelenke schmerzten vom Schwingen der Glocke, die Waden vom vielen Laufen und mein Rumpf vom Schwingen der Fahne. B.O.B. Svingen ist definitiv auch eine Art von Extremsport, vor allem, wenn man die Anreise der B.O.B. Jungs bedenkt und dass sie sonntags die gleiche Radtour wieder zurückfahren. Dazu kommen der Schlafmangel, das Bier und die schmerzenden Stimmbänder vom Anfeuern. Unglaublich, dass sie alle bis zum letzten Athleten draußen an der Strecke standen und sich dann früh am nächsten Morgen wieder auf die Räder schwangen. Es war wieder eine wahnsinnig schöne und emotionale Zeit, die ich beim Norseman verbringen durfte. Diesmal in Gelb. Und da es noch viele weitere Blickwinkel gibt, das Abenteuer Norseman zu erleben, werde ich wohl früher oder später wieder zurückzukehren. Und vielleicht höre ich ja eines Tages noch mal die magischen Worte „Dear Athletes, get ready to jump!“

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