In einer komplexen Ausdauersportart wie Triathlon müssen einige Bedingungen erfüllt werden, um erfolgreich ins Ziel zu kommen und dabei vielleicht sogar noch eine neue persönliche Bestleistung aufzustellen. Als Athletin oder Athlet musst du viele Trainingsstunden absolvieren, verletzungsfrei durch die Vorbereitung kommen und letztlich muss am Renntermin auch einfach die Tagesform stimmen. All das ist aber immer noch nicht ausreichend. Du kannst so viel trainieren, wie es irgendwie möglich ist – wenn du dich zu wenig mit deiner Verpflegung beschäftigst und die Versorgung im Wettkampf dann nicht gut funktioniert, ist die Zielsetzung nur Schall und Rauch. Vom bestmöglichen Ergebnis kannst du dich getrost verabschieden. Selbst „nur“ das Finish kann in Gefahr geraten, wenn irgendwo an der Strecke der Mann mit dem Hammer wartet. Die Begegnung mit ihm kannst du mit einer angepassten Kohlenhydratversorgung vermeiden. Diese wird umso wichtiger, je länger der Wettkampf dauert. Sieh es als Teil deiner Renntaktik – du solltest nicht nur deine Wattwerte auf dem Rad und die Pace beim Laufen kennen, sondern auch die aufzunehmende Kohlenhydratmenge, und diesen Plan akribisch verfolgen. In Zusammenarbeit mit power&pace-Coach Björn Geesmann erklären wir dir, wie du dir eine Verpflegungsstrategie erstellst und was du tun kannst, falls sie doch einmal zu scheitern droht.
Die richtige Menge
Eine optimale Rennverpflegung versorgt dich während des gesamten Wettkampfs mit genau der richtigen Menge an Kohlenhydraten, liefert also stets ausreichend Energie, bis du die Ziellinie überquerst. Dazu musst du zum einen die Größe deiner Glykogenspeicher kennen und zum anderen wissen, wie viel Gramm Kohlenhydrate du pro Stunde verbrauchst. „Der Verbrauch ist in erster Linie abhängig vom anaeroben Stoffwechsel. Er bestimmt die glykolytische Rate, also die Menge an verstoffwechselten Kohlenhydraten“, erklärt Björn Geesmann. Die Aktivität des anaeroben Stoffwechsels kann bei einer Leistungsdiagnostik ermittelt und durch bestimmte Trainingsinhalte verändert werden. Bei Ausdauersportlern sollte der anaerobe Stoffwechsel möglichst niedrig sein, damit wenig Kohlenhydrate verbraucht werden und die Vorräte für einen möglichst langen Zeitraum ausreichen. „Da Triathleten häufig eher länger und locker trainieren, ist ihr anaerober Stoffwechsel in der Regel nie sehr groß“, sagt Geesmann. Die Größe der Glykogenspeicher wird bestimmt durch die aktive Muskelmasse: Pro Kilogramm rechnet man etwa 20 Gramm Glykogenspeicher. Bei einem Triathleten mit 75 Kilogramm Körpergewicht und etwa 30 Kilogramm Muskelmasse sind davon im Wettkampf rund 21 Kilogramm aktiv. In diesem Fall ergibt sich daraus ein Glykogenspeicher von 420 Gramm.“ Anders als häufig dargestellt können die Glykogenspeicher übrigens nie vollständig entleert werden, ein Puffer für lebenserhaltende Funktionen bleibt immer zurück. Nun musst du aber nicht nur wissen, wie viel Gramm Kohlenhydrate in der Muskulatur vorhanden sind und wie viel du verbrauchst, sondern auch, welche Menge du zuführen kannst. Diese Menge ist nicht genetisch festgelegt, sondern kann trainiert werden. Zudem hängt sie von der Disziplin, der Intensität und der Dauer des Rennens ab. „Auf dem Rad kann mit einer Aufnahme von 1 bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde kalkuliert werden. Beim Laufen reduziert sie sich etwas auf rund 0,8 bis 1 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht, da die Verdauung erschwert ist“, so der Coach. Eine weitere entscheidende Rolle spiele die Intensität. „Die höchstmögliche Kohlenhydratoxidation findet bei etwa 50 bis 60 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO₂max) statt. Ganz grob liegt in diesem Bereich auch das Wettkampftempo im Marathon oder bei Lang- und Mitteldistanzen“, sagt er. Das bedeutet: Je intensiver du dich belastest, desto schlechter können Kohlenhydrate aufgenommen werden. Gleiches gilt jedoch auch für eine sehr niedrige Intensität, beispielsweise bei Ultradistanzen. Ebenso kann sich die Aufnahmefähigkeit im Laufe des Wettkampfs reduzieren.
Der Weg zur Strategie
Nun weißt du, wie viel du theoretisch aufnehmen können solltest. Die Umsetzung in der Praxis steht allerdings auf einem anderen Blatt. „Am besten tastet man sich mit Selbstversuchen im Training an die richtige Kohlenhydratmenge heran und steigert diese langsam. Wichtig ist dabei, auf den Magen-Darm-Trakt zu achten – auch nach dem Training“, empfiehlt Björn Geesmann. Was du zuführst, bleibt letztlich dir überlassen. In den Wechselzonen sieht man neben Gels und Riegeln auch die eine oder andere Laugenstange am Oberrohr (die Nachteile auf die Aerodynamik lassen wir hier mal außen vor) oder Salzkartoffeln in der Verpflegungsbox. Je leichter verdaulich, desto besser. Auf Ballaststoffe, zusätzliche Proteine oder Fette solltest du daher verzichten. Gels sind immer eine praktische Lösung. Nicht nur, weil sie nicht gekaut werden müssen, sondern auch weil die genaue Kohlenhydratmenge auf der Verpackung steht. Eine Versorgung ausschließlich mit Iso-Getränken funktioniert nicht. „Pro 100 Milliliter kann man nur etwa fünf bis sechs Gramm Kohlenhydrate aufnehmen. Man müsste also sehr viel von einer Kohlenhydratmischung trinken, um den Bedarf zu decken“, sagt der Coach. Eine gute Möglichkeit sei es, neben Gels eine leichte Kohlenhydratlösung mit etwa drei Prozent Kohlenhydraten zuzuführen. Damit du auf dem Rad nicht mit dem Aufreißen von Geltütchen beschäftigt bist, kannst du diese natürlich in eine Flasche drücken und leicht mit Wasser verdünnen. Zwischendurch sollte allerdings immer auch zusätzlich Wasser getrunken werden. Nicht nur die Verpflegung im Wettkampf, sondern auch im Trainingsalltag spielt eine wichtige Rolle für die Kohlenhydratversorgung. Im Alltag solltest du vorwiegend Mahlzeiten mit langkettigen Kohlenhydraten zu dir nehmen, die den Blutzuckerspiegel nicht ständig in die Höhe schießen lassen und für eine langanhaltende Energiezufuhr sorgen. Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse sind gut geeignet. Das Frühstück vor dem Wettkampf sollte eine Mischung aus lang- und kurzkettigen Kohlenhydraten und wenige Ballaststoffe enthalten – im Training kannst du wunderbar überprüfen, welche Lebensmittel du verträgst. Am besten tust du das bei wettkampfspezifischen Einheiten. „Längere Schlüsseleinheiten am Wochenende bieten sich an, um die Ernährung für den Wettkampf zu testen. Das Frühstück sollte halbwegs verdaut sein, damit man in Stunde zwei bis vier der Einheit oder beim Koppellauf entsprechend nachfüllen kann“, sagt Björn Geesmann. „Das klappt auch gut bei einem isolierten Lauf. In dem Fall sollte man aber darauf achten, dass man vorher nicht allzu viel zugeführt hat.“
Wenn es ernst wird
Die Vorbereitung kann noch so reibungslos und gewissenhaft abgelaufen sein, am Tag X solltest du damit umgehen können, wenn sich Magenprobleme oder der Mann mit dem Hammer anbahnen. „So bald der Magen sich bemerkbar macht, sollte man zunächst keine Kohlenhydrate nachfüllen und Wasser zum Neutralisieren trinken. Gleichzeitig muss aber auch die Leistung reduziert werden, dann ist das kein Problem“, erklärt der Coach. Der Mann mit dem Hammer sei ein Zeichen, dass das Pacing oder die Kohlenhydratzufuhr doch nicht optimal waren. „Wenn er sich ankündigt, sollte entsprechend mehr nachgefüllt und die Leistung reduziert werden, bis sich das Gefühl wieder bessert“, so Geesmann. Ein spannender Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Sensorik. Wenn du glaubst, dass nichts mehr geht, kannst du deinen Körper austricksen. Beim sogenannten Mouthrinsing, also dem Spülen in der Mundhöhle, werden kurzfristig Kohlenhydrate freigesetzt, obwohl sie nicht richtig zugeführt werden. Ein Schluck Cola oder das Gel gelangen nur an die Mundschleimhäute und werden wieder ausgespuckt. Das ist natürlich keine dauerhafte Verpflegungsstrategie, kann aber über ein kurzes Tief hinweghelfen, bis du wieder etwas aufnehmen kannst. Eine weitere Möglichkeit ist, dem Geschmack zwischendurch neue Reize zu geben. Das immer gleiche süße Gel schmeckt nach mehreren Stunden vielleicht nicht mehr so gut und alles in dir sträubt sich dagegen, auch nur ein weiteres davon zu nehmen. Etwas Salziges, ein Stück Riegel oder auch nur eine andere Sorte des favorisierten Gels kannst du in der T2 deponieren und damit für Abwechslung sorgen. Bei aller Abwechslung solltest du dich jedoch auf Kohlenhydrate beschränken sowie den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt im Blick behalten. Die zusätzliche Aufnahme von Fett oder Proteinen ist nicht notwendig. Selbst eine Langdistanz ist nicht lang genug, um das Energiedefizit so groß werden zu lassen, dass es Auswirkungen auf den Hormonhaushalt hätte. Wenn du schließlich mit einem Lächeln die Ziellinie überquert hast, solltest du möglichst zügig deine Speicher auffüllen. Mit Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten oder besser gesagt: mit allem, was das Büffet hergibt.
Rechenbeispiel
Anhand eines Beispiels wollen wir dir verdeutlichen, wie du mit der passenden Versorgung optimal durch den Wettkampf kommst. Unser Athlet wiegt 70 Kilogramm und hat 28 Kilogramm Muskelmasse. Davon sind 70 Prozent (19,6 Kilogramm) während des Triathlons aktiv. Nun gehen wir beim Glykogenspeicher von 20 Gramm pro Kilogramm aktiver Muskulatur aus. Die Größe des Glykogenspeichers beträgt beim Athleten also 392 Gramm, mit denen er den Wettkampf optimal gefüllt beginnt. Auch nach dem Schwimmen gehen wir davon aus, dass der Speicher noch annähernd durch das vorherige Frühstück gefüllt ist. Danach fährt der Athlet mit 230 Watt fünf Stunden Rad und verbraucht dabei etwa 550 Gramm Kohlenhydrate. Zusätzlich nimmt er 350 Gramm auf und hat demnach in T2 noch 192 Gramm Kohlenhydrate in den Speichern, mit denen er in den Marathon startet. Dabei verbraucht er bei einer Pace von etwa fünf Minuten pro Kilometer 284 Gramm Kohlenhydrate und führt insgesamt 195 Gramm zu (55 Gramm pro Stunde, etwa zwei Gels). Im Ziel hat der Athlet einen Puffer von 103 Gramm Kohlenhydraten in den Glykogenspeichern. Wenn er es schafft, diese Strategie zu verfolgen, wird er kein energetisches Problem bekommen und die Leistung aufrechterhalten können.
2 Fragen:
1. Ist immer mit 70 % aktiver Muskulatur zu rechnen?
2. Ist die hier berechnete Muskelmasse gleichzusetzen mit der fettfreien Masse?